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Der Afghane

Der Afghane

Titel: Der Afghane
Autoren: Frederick Forsyth
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vertieft werden müssen – war sie mit Abstand das größte Passagierschiff auf den Weltmeeren. Je länger der Erste Offizier Gundlach, auf seiner ersten Überfahrt seit seiner Beförderung, sie anschaute, desto prachtvoller kam sie ihm vor.
    Tief unter ihm und weit hinten in den Straßen jenseits der Terminal-Gebäude sah er die Transparente der zornigen und frustrierten Demonstranten. Mit großer Effizienz hatte die New Yorker Polizei den gesamten Terminal einfach abgesperrt. Boote der Hafenpolizei umschwärmten das Terminal zu Wasser und stellten sicher, dass keine Protestierer sich per Boot nähern konnten.
    Selbst wenn es ihnen gelungen wäre, hätte es nichts genutzt. Der stählerne Rumpf des Liners ragte turmhoch über die Wasserlinie. Die niedrigsten Bullaugen lagen mehr als fünfzehn Meter hoch. So konnten diejenigen, die heute Abend an Bord gingen, das völlig ungestört tun.
    Nicht, dass sie für die Demonstranten von Interesse gewesen wären. Einstweilen nahm das Schiff nur die unteren Chargen an Bord: Stenografinnen, Sekretärinnen, Diplomaten des niederen Dienstes, Sonderberater und all die anderen menschlichen Ameisen, ohne die die Großen und Guten dieser Welt anscheinend nicht über Hunger, Armut, Sicherheit, Handelsschranken, Verteidigung und Bündnisse diskutieren konnten.
    Bei dem Gedanken an Sicherheit runzelte David Gundlach die Stirn. Er und seine Offizierskollegen hatten den ganzen Tag über Scharen von Agenten des amerikanischen Secret Service auf dem Schiff herumgeführt und ihnen jeden Zollbreit gezeigt. Sie sahen alle gleich aus: Alle zogen konzentriert die Stirn kraus, alle plapperten in ihre Ärmel, wo die Mikrofone versteckt waren, und alle hörten die Antworten in ihren Ohrhörern, ohne die sie sich nackt fühlten. Gundlach war am Ende zu dem Schluss gekommen, dass sie alle professionell paranoid waren – und sie hatten nichts auszusetzen gehabt.
    Die zwölfhundertköpfige Besatzung war durchleuchtet und auf Herz und Nieren geprüft worden, und bei keinem einzigen hatte sich auch nur der Schimmer eines Zweifels ergeben. Das für den US-Präsidenten und die First Lady reservierte Grand Duplex Apartment war bereits versiegelt und wurde vom Secret Service bewacht, nachdem man es Zoll für Zoll durchsucht hatte. Jetzt, nachdem er es zum ersten Mal erlebt hatte, wurde David Gundlach klar, dass dieser Kokon den Präsidenten wahrscheinlich ständig umgeben musste.
    Er sah auf die Uhr. Noch zwei Stunden, dann wäre das Boarding der dreitausend Passagiere beendet, und die acht Staats- und Regierungschefs würden eintreffen. Wie schon die Diplomaten in London bewunderte auch er die genial einfache Idee, für das größte und angesehenste Gipfeltreffen der Welt das größte und luxuriöseste Passagierschiff der Welt zu chartern, und das für eine fünftägige Atlantiküberquerung von New York nach Southampton.
    Dieser Kunstgriff frustrierte all die Kräfte, die gewohnheitsgemäß Jahr für Jahr versuchten, das Treffen ins Chaos zu stürzen. Besser als jeder Berg, besser als jede Insel und Platz für 4200 Menschen – die Queen Mary 2 war unangreifbar.
    Gundlach würde neben seinem Kapitän stehen, wenn der Bass der Typhoon-Sirenen sein tiefes »A« ertönen ließe, um sich von New York zu verabschieden. Er würde die vier Mermaid-Pod-Antriebe auf die erforderliche Schubkraft schalten, und mit einem winzigen Joystick an der Steuerkonsole würde der Kapitän die Queen in den East River und den wartenden Atlantik hinausgleiten lassen. So empfindlich waren die Steuerung und so flexibel die Achter-Pods, dass sie auf der Stelle eine 360-Grad-Wende vollführen konnte und keine Schlepper brauchte, um den Terminal zu verlassen.
     
    Weit im Osten passierte die Countess of Richmond die Kanarischen Inseln, die fernab an Steuerbord lagen. Die Ferieninseln, auf denen so viele Europäer in der Dezembersonne vor der westafrikanischen Küste Zuflucht vor dem Schnee und Regen ihrer winterlichen Heimat suchen, waren nicht zu sehen – nur den Gipfel des Teide konnte man mit dem Fernglas über dem Horizont ausmachen.
    Die Countess hatte noch zwei Tage bis zu ihrem Rendezvous mit der Geschichte. Der indonesische Steuermann hatte seinen Landsmann im Maschinenraum angewiesen, die Maschinen auf »langsame Kraft voraus« zu stellen, und so glitt sie im Schritttempo durch die sanfte Dünung des Aprilabends.
    Der Gipfel des Teide versank. Der Steuermann korrigierte den Kurs um ein paar Grad nach Backbord, wo 1600 Meilen
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