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Der Adler ist gelandet

Der Adler ist gelandet

Titel: Der Adler ist gelandet
Autoren: Jack Higgins
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doch nicht ernst meinen?« »Wer weiß? Heute ja, morgen nein. Er hat nicht ausdrücklich gesagt, ob er ihn lebend oder tot haben möchte. Diese Sache mit Mussolini ist ihm zu Kopf gestiegen. Jetzt scheint er rein alles für möglich zu halten. Den Teufel aus der Hölle holen, wenn's sein muß, so hat er sich emphatisch ausgedrückt.«
    »Und die anderen? Wie haben sie es aufgenommen?« fragte Radl. »Goebbels blieb beflissen wie immer, der Duce wirkte bestürzt. Himmler war der gefährliche Mann. Gab dem Führer in allem recht. Sagte, wir könnten uns zumindest einmal mit dem Plan befassen. Eine Durchführbarkeits-Analyse aufstellen, so drückte er sich aus.« »Verstehe, Herr Admiral.« Radl zögerte. »Glauben Sie, es ist dem Führer ernst damit?«
    »Natürlich nicht.« Canaris ging zu dem Feldbett in der Ecke, schlug die Decken zurück, setzte sich und begann, seine Schuhbänder zu lösen. »Er hat es bereits vergessen, ich weiß, wie er in solchen Momenten ist. Redet allen möglichen Unsinn daher.« Er legte sich auf das Feldbett und deckte sich zu. »Nein, ich würde sagen, der Haken liegt bei Himmler. Er will mich zur Strecke bringen. Er wird ihn eines schönen Tages, wenn's ihm in den Kram paßt, an den ganzen Quatsch erinnern, und wäre es nur, damit ich als Befehlsverweigerer dastehe.« »Was soll ich also tun?« »Genau das, was Himmler vorschlug. Eine Durchführbarkeits-Analyse ausarbeiten. Einen schönen, ausführlichen Bericht, der so aussieht, als würden wir uns wirklich hineinknien. Zum Beispiel: Churchill ist im Augenblick in Kanada, ja? Reist vermutlich per Schiff zurück. Sie können es so darstellen, als hätten Sie ernsthaft erwogen, zum entsprechenden Zeitpunkt und an der entsprechenden Stelle ein U-Boot einzusetzen. Schließlich geschehen, wie unser Führer mir persönlich vor noch nicht ganz sechs Stunden versicherte, noch immer Wunder, wenn auch nur unter der richtigen göttlichen Eingebung. Krogel soll mich in eineinhalb Stunden wecken.«
    Er zog die Decke über den Kopf, Radl knipste das Licht aus und ging. Er war alles andere als glücklich, als er sich wieder in sein Büro begab, und nicht nur wegen der lächerlichen Aufgabe, die Canaris ihm zugeteilt hatte. So etwas gehörte zur Routine.
    Radl selber bezeichnete das Amt III häufig als die »Abteilung für höheren Blödsinn«.
    Nein, was ihm Sorgen machte, war die Art, wie Canaris sprach, und da Radl zu den Leuten gehörte, die sich selber gegenüber gern ehrlich sind, gestand er sich ein, daß es ihm nicht nur um den Admiral ging. Er dachte auch an sich und an seine Familie.
    Theoretisch hatte die Gestapo keine Gerichtshoheit über Männer in Wehrmachtsuniform. Aber Radl hatte schon zu viele Kameraden einfach von der Erdoberfläche verschwinden sehen, um das zu glauben. Der teuflische »Nacht-und-NebelErlaß«, aufgrund dessen eine große Zahl Unglücklicher buchstäblich vom nächtlichen Dunkel verschlungen wurde, fand angeblich nur auf Einwohner besetzter Gebiete Anwendung. Radl wußte indes sehr wohl, daß sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt über fünfzigtausend nichtjüdische deutsche Staatsbürger in Konzentrationslagern befanden. Seit 1933 waren insgesamt fast zweihunderttausend dort gestorben.
    Als er sein Büro betrat, sichtete Stabsfeldwebel Hofer, sein Adjutant, gerade die soeben eingetroffene Nachtpost.
    Hofer war ein stiller, dunkelhaariger Mann, achtundvierzig, Gastwirt aus dem Harz, ein erstklassiger Skiläufer, der sein Geburtsdatum gefälscht hatte, um noch eingezogen zu werden. Er hatte unter Radl in Rußland gekämpft.
    Radl setzte sich an den Schreibtisch und blickte düster auf das Foto seiner Frau und der drei Töchter, die in den bayerischen Bergen in Sicherheit waren. Hofer, der die Zeichen kannte, gab ihm eine Zigarette und ein kleines Glas Cognac aus einer Flasche Courvoisier, die in der untersten Schreibtischlade verwahrt war. »So schlimm, Herr Oberst?«
    »So schlimm, Hofer«, antwortete Radl. Dann kippte er seinen Cognac und brachte es ihm schonend bei.
    Und damit hätte die Sache ihr Bewenden haben können, wäre nicht ein seltsamer Zufall passiert. Am Morgen des 22. September, genau eine Woche nach seinem Gespräch mit Canaris, saß Radl am Schreibtisch und mühte sich durch den Stapel von Papieren, die sich während seiner dreitägigen Stippvisite in Paris angesammelt hatten.
    Er war nicht in bester Stimmung, und als die Tür aufging und Hofer eintrat, blickte er stirnrunzelnd auf und sagte ungehalten:
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