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Der Adler ist gelandet

Der Adler ist gelandet

Titel: Der Adler ist gelandet
Autoren: Jack Higgins
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Dornier bestieg, war er nicht in bester Laune. Himmler saß bereits angeschnallt, und nach sekundenlangem Zögern setzte Canaris sich neben ihn. »Panne?« fragte Himmler, als das Flugzeug die Piste entlangrumpelte und gegen den Wind manövrierte.
    »Reifen geplatzt.« Canaris lehnte sich zurück. »Übrigens, vielen Dank. Sie waren eine große Hilfe da draußen.« »Immer gern zu Diensten«, erwiderte Himmler.
    Die Maschine hatte jetzt abgehoben, die Motoren brummten stärker, als sie höher stiegen. »Mein Gott, heute abend war er aber in Fahrt«, sagte Canaris. »Churchill holen. Haben Sie je etwas so Verrücktes gehört?« »Nachdem Skorzeny ihm Mussolini vom Gran Sasso geholt hat, wird die Welt nie wieder sein wie vorher. Der Führer glaubt jetzt an Wunder, und das wird Ihnen und mir das Leben zunehmend schwerer machen, Herr Admiral.«
    »Mussolini war eine tolle Sache«, sagte Canaris. »Aber, ohne Skorzenys Meisterleistung im geringsten schmälern zu wollen, Winston Churchill würde noch eine ganz andere Sache sein.«
    »Ach, ich weiß nicht«, sagte Himmler. »Ich habe die Wochenschauen des Gegners gesehen, wie Sie auch. Heute in London, morgen in Manchester oder Leeds. Er wandert durch die Straßen mit dieser Zigarre im Mund und redet mit den Leuten. Ich würde sagen, von allen großen Führern auf der Welt ist er wahrscheinlich am wenigsten abgeschirmt.« »Wer's glaubt...«, sagte Canaris mürrisch. »Die Engländer mögen alles sein, aber Narren sind sie nicht. Military Intelligence fünf und sechs beschäftigt Scharen junger Männer, die Oxford oder Cambridge besucht haben und einem ohne lange Vorrede eine Kugel in den Bauch jagen. Und nehmen Sie mal den Alten selber. Trägt wahrscheinlich eine Pistole in der Rocktasche, und ich wette, er ist noch immer ein Meisterschütze.« Eine Ordonnanz brachte ihnen Kaffee. Himmler sagte: »Sie beabsichtigen also nicht, die Sache voranzutreiben?«
    »Sie wissen genausogut wie ich, was passieren wird«, erwiderte Canaris. »Heute ist Mittwoch. Bis Freitag hat er die Schnapsidee vergessen.« Himmler nickte hinterhältig und trank einen Schluck Kaffee. »Ja, vermutlich haben Sie recht.«
    Canaris stand auf. »Würden Sie mich jetzt bitte entschuldigen. Ich glaube, ich schlafe ein Weilchen.«
    Er setzte sich auf einen anderen Platz, wickelte sich in eine bereitliegende Decke und machte es sich für den dreistündigen Flug so bequem wie möglich. Als er einen Blick hinüber zu Himmler warf, war ihm, als starre der Reichsführer ihn an, bis er feststellte, daß dessen Augen geschlossen waren und sich nur das Licht der abgeblendeten Lampe im silbernen Kneifer spiegelte. Wie immer fühlte Canaris sich bei Himmlers Anblick unbehaglich, und nicht ohne Grund.
    Wilhelm Canaris war ein schlauer alter Fuchs. Sein Element war die Intrige, das Spiel um des Spiels willen, woraus sich seine lebenslange Tätigkeit im Geheimdienst erklärte. Blutvergießen hingegen verabscheute er, übrigens die einzige Eigenschaft, die er mit Himmler gemeinsam hatte, dem es bei der Besichtigung eines seiner Vernichtungslager einmal sehr übel geworden war.
    Canaris war traditionsgemäß rechts orientiert, liebte sein Vaterland leidenschaftlich und sah in Hitler einen ordinären Zerstörer. In Wahrheit hatte er - und darin bestand sein großes und gefährliches Geheimnis - seit seiner Ernennung zum Chef der Abwehr im Jahr 1935 an der Herbeiführung von Hitlers Sturz gearbeitet. Er war immer mit äußerster Vorsicht zu Werk gegangen, hatte sich jedoch am Rande an mehreren Verschwörungen beteiligt, die einen radikalen Umschwung zum Ziel gehabt hatten und allesamt gescheitert waren.
    Jetzt zog das Netz sich enger zusammen. Von Dohnanyi, Pastor Bonhoeffer und Müller waren im April verhaftet worden, und obwohl Canaris sich jeder direkten Teilnahme stets sorgfältig ferngehalten hatte, konnte man nie sicher sein, was jemand in den Kellern der Prinz-Albrecht-Straße unter den Händen der Gestapo auspacken würde.
    Mein Gott, wie er sie haßte! Ihre albernen Uniformen, ihren ordinären Klimbim, ihren pathologischen Sadismus. Daß wegen einer solchen Handvoll Schweine ein großes Volk so tief sinken konnte, war für ihn immer wieder unfaßbar. Er gähnte erschöpft. Na ja, bis jetzt hatte er die Meute stets abschütteln können, und noch verfügte er über ein paar Tricks, an denen selbst Reichsführer Heinrich Himmler sich die Zähne ausbeißen würde. Er gähnte wieder, schloß die Augen und schlief ein.
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