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Der 3. Grad

Der 3. Grad

Titel: Der 3. Grad
Autoren: James Patterson
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die Richtung, aus der die laute Explosion gekommen war.
    Wir fanden ihn im Schlafzimmer – er hatte sich das Leben genommen, hatte sich eine Kugel in die rechte Schläfe gejagt.
    Draußen hatten seine Frau und seine Kinder zu weinen begonnen.
    So viele Soldaten
, dachte ich.
Er ist noch nicht zu Ende – dieser Dritte Weltkrieg
.
108
    Charles Danko hatte mich nicht mit Rizin besprüht. Das sagten jedenfalls die Ärzte in der toxikologischen Abteilung des Moffit Hospital, nachdem sie sich den ganzen Vormittag lang eingehend mit mir befasst hatten.
    Und der Vizepräsident würde nicht sterben. Es hieß, er liege zwei Stockwerke unter mir und habe sogar schon mit seinem Chef in Washington telefoniert.
    Mehrere Stunden lang blieb ich an ein Gewirr von Schläuchen und Kabeln angeschlossen; mein Blut wurde getestet und mein Brustkorb durchleuchtet. Der Inhalt von Dankos Inhalator wurde als Rizin identifiziert. Hunderte von Menschen hätte er damit töten können, wenn wir ihn nicht gestellt hätten. Danko hatte Rizin in den Lungen; er würde nicht überleben. Es machte mich nicht gerade traurig, das zu hören.
    Gegen Mittag erhielt ich einen Anruf vom Präsidenten – von
dem
Präsidenten, wohlgemerkt. Sie hielten mir einen Hörer ans Ohr, und ich war so verdattert, dass ich mich nur noch vage erinnere, ungefähr sechsmal das Wort
Heldin
gehört zu haben. Der Präsident sagte sogar, er würde sich freuen, mir seinen Dank demnächst persönlich übermitteln zu können. Ich scherzte, dass wir damit eventuell warten sollten, bis meine toxischen Emissionen auf einen unbedenklichen Wert gesunken wären.
    Als ich nach einem Nickerchen die Augen aufschlug, saß Joe Molinari auf meiner Bettkante.
    Er lächelte. »Hey, ich dachte, ich hätte gesagt: ›Keine Heldentaten!‹«
    Ich blinzelte und lächelte ebenfalls – eher ein wenig groggy als triumphierend, und ein bisschen verlegen wegen all der Schläuche und Monitore.
    »Die gute Nachricht«, sagte er augenzwinkernd, »ist die, dass die Ärzte sagen, dir fehlt absolut nichts. Sie wollen dich nur noch ein paar Stunden zur Beobachtung hier behalten. Draußen wartet schon eine ganze Armada von Reportern auf dich.«
    »Und die schlechte Nachricht?«, krächzte ich heiser.
    »Irgendjemand muss dir beibringen, wie man sich für solche Fototermine passend anzieht.«
    »Ist ein neuer Modetrend.« Ich rang mir ein Lächeln ab.
    Ich bemerkte, dass er einen Regenmantel über dem Arm hatte und den marineblauen Anzug mit Fischgrätmuster trug, in dem ich ihn das erste Mal gesehen hatte. Es war ein
sehr
schöner Anzug, und er stand ihm hervorragend.
    »Der Vizepräsident ist auf dem Weg der Besserung. Ich fliege heute Abend nach Washington zurück.«
    Ich konnte nur nicken. »Okay...«
    »Nein« – er schüttelte den Kopf und rückte ein Stück näher –, »es ist nicht okay. Weil es nicht das ist, was ich will.«
    »Wir wussten doch beide, dass es so kommen würde«, sagte ich. Ich wollte so gerne stark sein. »Du hast schließlich deinen Job. Die Praktikantinnen...«
    Molinari sah mich streng an. »Du bist mutig genug, dich auf einen Mann zu stürzen, der einen Behälter mit einem tödlichen Gift in der Hand hält, aber du bist nicht bereit, für etwas einzustehen, was du wirklich willst.«
    Ich spürte, wie mir eine Träne aus dem Augenwinkel quoll. »Ich weiß im Moment nicht recht, was ich will.«
    Molinari legte seinen Regenmantel hin, dann beugte er sich vor, legte mir die Hand auf die Wange und wischte die Träne weg. »Ich glaube, du brauchst ein bisschen Zeit. Wenn der ganze Trubel vorbei ist, musst du entscheiden, ob du bereit bist, jemanden an dich heranzulassen. Ich spreche von einer Beziehung, Lindsay.« Er nahm meine Hand. »Mein Name ist
Joe
, Lindsay. Nicht Molinari oder Vizedirektor oder Sir. Und ich spreche von dir und von mir. Und versuch ja nicht, es mit Witzchen zu überspielen, nur weil dir schon mal jemand wehgetan hat. Oder weil du eine enge Freundin verloren hast. Ich weiß, das wird dich jetzt enttäuschen, Lindsay, aber du hast ein Anrecht darauf, glücklich zu sein. Du weißt, wie ich das meine. Nenn mich meinetwegen altmodisch.« Er lächelte.
    »Altmodisch«, sagte ich – und tat damit genau das, was er mir vorgeworfen hatte. Ich machte Witze, obwohl ich eigentlich ernst sein sollte.
    Ich hatte das Gefühl, dass irgendetwas in mir drin klemmte, wie es regelmäßig der Fall war, wenn ich aussprechen sollte, was ich im Herzen fühlte. »Und... wie oft wirst
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