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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli
Autoren: Christian Ditfurth
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MÜSSEN MIT IHNEN REDEN. ES IST LEBENSWICHTIG. CROWFORD. Nach den Verhören hatte Crowford eine Chiffre vereinbaren wollen, »damit wir in Kontakt bleiben«. Vandenbroke hatte das abgelehnt. Er war überzeugt, dass Crowford ein Profi war, der ihm nicht ohne Grund seine Leute auf den Hals hetzte.
    In einer halben Stunde würden die Typen aus Washington da sein. Vandenbroke schlug die Fingerspitzen der rechten Hand auf die Schaukelstuhllehne, stand auf und ging ums Haus. Er schaute auf Tomaten und Kürbisse, die er auf dem armen Boden gezogen hatte. Die Hintertür führte in die Küche, eingerichtet nur mit dem Nötigsten. Er goss sich ein Glas Wasser ein und nahm es mit in den Wohnraum. Sein Blick streifte über die Buchrücken in den Regalen. In Tierra del Sol gab es Tom McGuire’s Papierhandlung, wo man Bücher aus Katalogen bestellen konnte.
    Heinrich jaulte auf, als Vandenbroke ihm auf den Schwanz trat.
    »Heini, du bist so schwarz, man sieht dich einfach nicht«, versuchte Vandenbroke den Kater zu beruhigen, der vor viereinhalb Jahren bei ihm eingezogen war. Heinrich zuckte mit dem linken Maulwinkel, schloss die Augen und streckte sich.
    Ich hätte doch eine Weile verschwinden sollen, dachte Vandenbroke. Ich will damit nichts mehr zu tun haben. Ich habe alles gesagt. Letzte Nacht hatte er sich hin und her gewälzt, fast so wie jede Nacht in seinem ersten Jahr in Amerika. Er erinnerte sich kaum an den Traum, nur an schwarze Uniformen, silberne Totenköpfe und einen langgesichtigen Blonden, der ihn mit weit aufgerissenem Mund anschrie: »Verräter! Verräter! Verräter!« Vandenbroke ärgerte sich. Ein Telegramm hatte genügt, der Albtraum war zurückgekehrt, wenn auch erst in Fetzen. Was würde er träumen, wenn die Männer bei ihm gewesen waren? Hätte im Telegramm gestanden, es wäre wichtig, dann wäre Vandenbroke heute zu einer Tour aufgebrochen durchs Indianerreservat. Aber da stand LEBENSWICHTIG. Wenn Crowford LEBENSWICHTIG schrieb, dann ging es wenigstens um den Weltuntergang.
    Seltsame Gestalten, dachte Vandenbroke, ein großer mit einer dicken Nase und ein Lackaffe mit Vorfahren in Süditalien. Den Lackaffen hatte er in Washington bei einem Verhör schon einmal gesehen. Den anderen kannte er nicht.
    Vandenbroke erhob sich nicht, als Myers und Carpati die Veranda betraten. Er übersah die Hand, die Myers ihm breit lächelnd hinstreckte. Carpati nahm sich einen Stuhl und setzte sich so, dass er Vandenbroke von der Seite ansah. Myers blieb unschlüssig stehen.
    Vandenbroke schaute Myers und Carpati ruhig an: »Haben Sie Dienstausweise?«, fragte er in hartem Englisch.
    Myers ging zurück zum Wagen und fand die Karte in der Innentasche seines Jacketts, das er in San Diego auf die Rückbank gelegt hatte. Carpati nahm seinen Ausweis aus der Brusttasche seines Hemds. Vandenbroke studierte beide Ausweise gründlich und legte sie auf die Lehne seines Schaukelstuhls. »Ich habe es also mit den Agenten Myers und Carpati zu tun.« »Haben Sie einen Schluck Wasser?«, bat Carpati.
    Vandenbroke zeigte mit dem Daumen der rechten Hand nach hinten zur Küche. Carpati kam mit zwei Gläsern Wasser wieder, eines stellte er vor Myers, der sich an einem kleinen Tisch am Ende der Veranda auf einen Korbstuhl gesetzt hatte.
    »Schöne Grüße von Crowford«:, sagte Myers.
    Vandenbroke schaute hinunter ins Tal. Hier würde er bleiben, für immer, hatte er gedacht, als er das einsame Haus zum ersten Mal sah. Hier war es so karg, dass niemand sonst auf die Idee käme, sich niederzulassen. Nach Tierra del Sol war es eine Stunde mit seinem rostigen Ford, und nicht einmal der Zufall führte jemanden zu ihm auf seinen Hof, wie er das kleine Holzhaus und das trockene Grundstück nannte, das er einem versoffenen Farmer für ein paar Dollar abgekauft hatte.
    Carpati sagte: »Werdin, wir müssen mit Ihnen reden.«
    Vandenbroke warf seinen Kopf herum und schnauzte Carpati an: »Wir haben eine Vereinbarung. Haben Sie das vergessen?« Nach einer Pause: »Sie sind wohl 43 aus Italien abgehauen, Sie Held?«
    »Meine Eltern hatten die Ehre, Zwangsarbeit für die großdeutsche Wehrmacht leisten zu dürfen, Herr Sturmbannführer. Ich war leider zu bequem, der freundlichen Einladung Ihres Führers ins Reich der Arier zu folgen«, erwiderte Carpati ruhig.
    Vandenbroke ärgerte sich, er hatte einen Fehler gemacht. Er hatte den Lackaffen unterschätzt. Früher wäre ihm das nicht passiert, aber er war neun Jahre aus der Übung.
    »Was wollen Sie?«,
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