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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli
Autoren: Christian Ditfurth
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fragte er Myers.
    »Wir wollen, dass Sie nach Washington fliegen, Crowford will mit Ihnen reden.« Er schaute Vandenbroke in die Augen: »Dulles auch.«
    Vandenbroke grinste: »Mein Gott, bin ich wichtig. Sogar der große Meister will mich sprechen.«
    »Ich finde das gar nicht lustig«, sagte Myers verärgert. »Von mir aus könnten Sie hier verrotten.«
    Carpati, mit leiser Stimme: »Es geht um die SS, Himmler.«
    »Na und«, erwiderte Vandenbroke. »Was interessiert mich die SS? Und Himmler? Sitzt der nicht in einer alten Burg und macht auf Blut und Boden?« Er hatte vor einiger Zeit einen Artikel gelesen, in dem das behauptet wurde. Zuzutrauen war es dem Reichsführer der SS.
    »Schon«, sagte Carpati, »aber er hat auch für anderes Zeit.«
    Vandenbroke schwieg. Was immer der Reichsheini trieb, es konnte ihm egal sein. Vandenbroke schmunzelte innerlich, als er an den Mumpitz dachte, den Heinrich Himmler so gern veranstaltete: Fackeln, Julleuchter, Ehrendolche, Totenkopfringe. Ja, er hatte sogar einen Gott bei irgendwelchen Germanen ausgegraben. »Gott minus t«, hatte Heydrich dieses höhere Wesen verspottet, das wurde jedenfalls in SS-Kreisen erzählt. Aber Heydrich war lange tot.
    »Hören Sie auf mit dem Versteckspiel«, sagte Vandenbroke. »Wenn Sie was von mir wollen, dann sollten Sie es mir sagen.«
    »Es geht um Himmler und einen Plan, den er hat«, erwiderte Carpati. »Mehr wissen wir selbst nicht. Sie erfahren es von Crowford und Dulles.«
    »Dann gehen Sie zu Crowford, und grüßen Sie ihn von mir«, sagte Vandenbroke.
    »Ich appelliere an Ihre Verantwortung«, polterte Myers.
    »Kommen Sie mir nicht auf die Tour«, sagte Vandenbroke. »Ich habe meine Verpflichtungen erfüllt, alle. Können Sie das auch von sich sagen?«
    »Sie leben hier auf unsere Kosten«, gab Myers zurück.
    »Und Sie leben, weil ich es gewollt habe«, sagte Vandenbroke. »Ich erwarte nicht, dass Sie mir dankbar sind. Aber lassen
    Sie mich wenigstens in Ruhe.«
    »Interessiert es Sie gar nicht, was aus Deutschland wird?«, fragte Carpati freundlich.
    Vandenbroke schwieg einen Moment lang und stellte zufrieden fest, dass seine Reflexe erwachten. Seine Selbstbeherrschung kehrte zurück. Er ärgerte sich, weil er aus der Haut gefahren war. In einem falschen Augenblick wäre das sein Tod gewesen. Er war acht Jahre aus Deutschland weg, lebte seit fast sieben Jahren auf dem Hof , und mangels Kontakt zu anderen Menschen war er aus der Übung gekommen. Im ersten Jahr in Amerika hatte er abends, nach den Verhören, Holländisch gelernt, einige Brocken wenigstens. Er wollte, wenn er alles verraten hatte, eine andere Identität annehmen. Es waren viele Holländer geflohen, vor und nach dem Ende des Kriegs. Welcher Amerikaner konnte schon einen Deutschen von einem Holländer unterscheiden? So wurde aus Knut Werdin Peter Vandenbroke aus Rotterdam. In der Hafenstadt hatte Werdin Anfang der Vierzigerjahre mehrere Wochen verbracht, um ein britisches Agentennest auszuheben, es war die Operation Zigarre. Nach einer Verfolgungsjagd in den Ruinen von Rotterdam erwischten Werdin und seine Kameraden vom SD, dem Sicherheitsdienst der SS, ein paar Holländer, die für die Tommys spitzelten. Kleine Fische, die sich in der Propaganda zu Riesenhaien auswuchsen.
    »Britische Spionagezentrale ausgehoben« titelte der Völkische Beobachter , und Goebbels spuckte Feuer. Werdin wurde zum Sturmbannführer befördert und erhielt das EK II.
    Carpati unterbrach das Schweigen: »Es ist Ihnen also gleichgültig.«
    »Das geht Sie nichts an«, sagte Werdin. »Selbst wenn es nicht so sein sollte, dann wüsste ich nicht, wie ich Ihnen, Deutschland, der Welt oder dem Mann auf dem Mond helfen könnte.«
    »Ihnen ist wohl alles scheißegal«, dröhnte Myers. Carpati zog die Augenbrauen hoch. Die Kavallerie griff wieder an, mit Horn und Säbel.
    Werdin erwiderte gelassen: »Fast alles.«
    Es hatte keinen Sinn. Carpati schaute Myers an und blickte dann zum Auto. Aber der reagierte nicht. Myers war länger dabei, er bestimmte, wie es weiterging. Carpati fürchtete, Myers würde anfangen herumzuschreien oder Werdin wieder auf die moralische Tour kommen. Dann könnten sie gleich nach Hause fahren. Es gab nur einen Weg, Werdin nach Washington zu kriegen. Carpati wusste nicht, ob es klappen würde, aber alles andere ging sowieso schief. Er hatte bemerkt, wie Werdins Reflexe zurückkehrten. Carpati erinnerte sich an Kollegen, die bei vielen Verhören dabei gewesen waren.
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