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Denn wer zuletzt stirbt

Denn wer zuletzt stirbt

Titel: Denn wer zuletzt stirbt
Autoren: Christoph Spielberg
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Käthe hatte schon begonnen und brauchte einfach Hilfe, die Dinge gewinnen dann eine Eigendynamik. Du kniest auf dem Toten, schuftest dich fast selbst zu Tode, aber es gibt nur eine Idee: Es muß klappen! Plötzlich ist es wirklich so, wie sich der Patient den Arzt immer vorstellt: Der Tod ist dein ganz persönlicher Feind. Du – Stoß – wirst – Stoß mir – Stoß – nicht – Stoß – abkratzen – Stoß – wäre – Stoß – ja Stoß – noch – Stoß – schöner – Stoß – nun – Stoß – mach – Stoß – endlich – Stoß – mit – Stoß – du – Stoß – Pfeife! Eine gut durchgeführte Herzmassage hat tatsächlich etwas von einem aggressiven Beischlaf, auch der Rhythmus ist ziemlich der gleiche. Und, unglaublich, wir hatten Erfolg! Nach endlosen zehn Minuten begann der gute Winter wieder selbst ein bißchen zu atmen. Käthe merkte es als erste.
    »Ich glaube, wir haben ihn.«
    Diskret und noch nicht ganz regelmäßig hob und senkte sich Winters Brustkorb.
    »Na, klar haben wir ihn, Käthe. Sie waren Spitze, wie immer. Außerdem, wir mußten Erfolg haben. Ich habe ihm noch den kommenden Frühling versprochen, als Minimum.«
    Ob sie besonders sinnvoll war oder nicht, eine erfolgreiche Wiederbelebung schafft eine tiefe Befriedigung unter den Beteiligten. Auch Schwester Käthe strahlte über ihr verschwitztes Gesicht.
    »Dann hoffe ich, daß es ein schöner Frühling wird dieses Jahr.«
    Es läßt sich ganz gut zu zweit reanimieren, aber mit einem Dritten geht es noch besser. Der kann zum Beispiel Medikamente anreichen oder telefonieren.
    »Wo ist eigentlich Renate?« fragte ich Käthe.
    Käthe hob die Schultern.
    »Keine Ahnung. Vorhin war sie noch hier.«
    »Dann müssen wir den Guten alleine für den Transport auf die Intensivstation fertig machen. Sie können schon mal drüben anrufen, daß wir bald kommen.«
    Daß hier etwas falschgelaufen war und Winter nicht wirklich eines natürlichen Todes gestorben wäre, fiel mir erst auf, als wir uns jetzt bemühten, unseren Erfolg wenigstens bis zum Erreichen der Intensivstation zu stabilisieren. Denn die Tatsache, daß Winter wieder selbst atmete, hieß noch lange nicht, daß er es in fünf Minuten auch noch tun würde. Sein Blutdruck war noch ziemlich im Keller, sein Puls flach und unregelmäßig. Vom Altbau C4, jetzt unsere Abteilung für chronisch Kranke, bis rüber in den mittlerweile auch vierzig Jahre alten »Neubau« würden wir zehn Minuten brauchen. Dabei würden wir zweimal in einem Fahrstuhl eingeschlossen sein und den Rest der Zeit mit der Trage über den Innenhof schippern, und weder ein enger Fahrstuhl noch ein Innenhof bei sieben Grad minus sind ideale Orte für eine erneute Wiederbelebung. Also hatte Käthe schon einen schönen Pharmacocktail gemixt – ein bißchen Dopamin, ein bißchen Verapamil, ein wenig Kalium, damit sollte der gute Herr Winter bis zur Intensivstation auskommen.
    »Welche Stufe wollen Sie, Doktor?«
    Als erfahrene Schwester hatte Käthe die Medikamente selbst zusammengestellt, sie wollte von mir nur noch wissen, mit welcher Geschwindigkeit die elektrische Infusionspumpe den Überlebensmix in Winters Körper drücken sollte.
    »Erst einmal volle Kanne, Stufe 3.«
    Sicher ist sicher. Klick – nichts tat sich. Auch wiederholtes Knipsen am On/Off-Schalter erweckte die Infusionspumpe nicht zum Leben. Allerdings hatten es inzwischen sowohl Käthe wie auch ich so oft probiert, daß wir nicht wußten, ob am Beginn unserer Bemühungen der Schalter auf »an« oder »off« gestanden hatte.
    »Hatten Sie die Pumpe vorhin abgestellt?«
    Käthe überlegte.
    »Keine Ahnung, Doktor. Ich glaube nicht. Ich meine, ich bin hereingekommen, habe gesehen, daß es ein Problem gibt, und habe angefangen.«
    »Hatte es denn Fehlfunktionsalarm gegeben?«
    »Nein - jedenfalls habe ich ihn nicht gehört. Ich war ins Zimmer gekommen, um Winter ein schönes neues Jahr zu wünschen.«
    Winters Herz konnte nicht lange stillgestanden haben, sonst hätten wir es nicht geschafft. Wie lange er tatsächlich weg gewesen war, würde sich in ein paar Stunden oder Tagen herausstellen. Erst dann würden wir wissen, ob wir nur seinen Kreislauf wiederbelebt hatten oder, hoffentlich, auch sein Hirn.
    »Wissen Sie noch, wann Sie zuletzt nach Winter gesehen hatten?
    »So gegen halb elf, da war alles in Ordnung. Er wäre wieder gegen halb zwölf dran gewesen, aber da hatte Renate schon nach ihm geschaut.«
    Richtig. Renate hatte mir gesagt, sie wolle
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