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Denn wer zuletzt stirbt

Denn wer zuletzt stirbt

Titel: Denn wer zuletzt stirbt
Autoren: Christoph Spielberg
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ausgegangen waren. Vielleicht aber war genau das auch der Grund für ihre absurde Unterstellung.
    »Da habe ich wohl in der Schule nicht richtig aufgepaßt. Heutzutage werden also Drogen von hier in den Irak geschmuggelt?«
    Jablonske versuchte, seinem Kollegen zu helfen.
    »Sie machen sich keine Vorstellungen, was auf dieser Strecke alles versucht wird. Aber wir sprechen natürlich von dem umgekehrten Weg.«
    Waldeck nahm die Vorlage an.
    »Wir meinen, der ganze private Hilfskonvoi für die armen Kurden im Irak könnte nur ein Vorwand gewesen sein, Drogen auf dem Rückweg mitzubringen. Sie wissen doch: keine Leerfahrten! Oder, bei gutwilliger Interpretation, um den nächsten Hilfskonvoi zu finanzieren.«
    »Ich verstehe. Im Irak gab es dann Streit um den Preis, da hat Frau Bergkamp eine Bombe geworfen und sich aus Ärger gleich selbst mit in die Luft gesprengt, ist logisch, vollkommen klar. Wie sonst soll es gewesen sein!«
    Ich konnte das Geschniefe von Jablonske nicht weiter mit ansehen und holte ihm eine Rolle »Wisch-und-Weg« aus der Küche. Mir brachte ich eine Flasche Bier mit. Das gab den beiden Zeit, eine neue Theorie aus dem Hut zu zaubern.
    »Drogen sind ja nicht das einzige, was auf dieser Strecke gerne transportiert wird. Zum Beispiel ist auch eine Ladung Sempex aus der Tschechei immer ein willkommenes Mitbringsel.«
    Klar, macht man in der Medizin auch: Kommt man mit einer bestimmten Annahme nicht weiter, ordnet man Symptome und Laborergebnisse neu, versucht es mit einer anderen Diagnose. Die beiden stocherten ganz offensichtlich im Nebel, wobei sie jetzt der Wahrheit etwas näher kamen.
    Zwar hatte niemand versucht, Celine diesen praktischen Sempex-Sprengstoff unterwegs anzudrehen, tatsächlich aber rund dreihundert Kilometer hinter Ankara vier Kisten »humanitäre Hilfe für unsere kurdischen Freunde von Ansar al-Islam«, säuberlich mit dem roten Halbmond bemalt und randvoll mit Handgranaten. Celine und Heiner hatten die Kisten sofort wieder abladen lassen.
    »Haben Sie sonst noch etwas im Angebot? Biowaffen für Saddam Hussein aus unserem Kliniklabor? Pest- oder Anthraxerreger? Giftgas?«
    Noch einmal versuchte es Jablonske auf die Tour gütiger Onkel, während er mein Bücherregal studierte. Was erwartete er dort? Erbauungsliteratur wie »Die Bombenbastlerin, ein Schnellkurs für Frau/Mann« oder »Wir bauen Mollis in der Kindergruppe«?
    »Herr Dr. Hoffmann. Sicher ging es Ihrer Freundin in erster Linie um die humanitäre Hilfe. Was immer dann geschehen ist, es tut uns schrecklich leid. Wir wollen es nur aufklären.«
    Waldeck versuchte zu unterstützen.
    »Vielleicht sollten wir Sie daran erinnern, daß mit dem Antiterrorpaket auch die Kronzeugenregelung reaktiviert worden ist? Keine vollkommene Straffreiheit, das geht leider nicht, wir sind nicht in Amerika. Aber das Strafmaß am untersten Anschlag, und die Anklage ebenso.«
    Beide strahlten mich an wie Weihnachtsmänner, die einen Jungen, der es eigentlich nicht wirklich verdient hatte, in ihren aufgeschnürten Weihnachtsmann-Rucksack schauen ließen.
    »Was mein Kollege meint«, sekundierte Jablonske, »ist zum Beispiel, daß aus Mord Körperverletzung oder Tötung auf Verlangen wird, oder aus schwerem Raub ein einfacher Ladendiebstahl.«
    »Aber ich habe niemanden ermordet, und auch in keinem Laden was geklaut, in letzter Zeit zumindest nicht.«
    Ich hielt ein bißchen Unwissenheit für angebracht. Paragraph 211 Mord, Paragraph 212 Totschlag, Paragraph 224 schwere Körperverletzung – die beiden hatten sicher keine Vorstellung, wie genau sich ein Arzt heutzutage mit dem Strafgesetzbuch auskennen muß, um zumindest einen Teil seiner Arbeitszeit außerhalb von Gefängnismauern zu verbringen.
    »Ich meinte das als Beispiele«, entgegnete Jablonske indigniert und warf mir einen ziemlich verärgerten Blick zu. »Ist Ihnen zufällig das Strafmaß für die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung bekannt?«
    Mir wurde klar, wir würden doch keine Freunde werden.
    Demonstrativ holte ich mir ein zweites Bier, die sehnsuchtsvollen Blicke der beiden waren mir schon bei meinem ersten nicht entgangen. Genüßlich ließ ich den Kronkorken ploppen und nahm einen kräftigen Schluck.
    »Sie haben vorhin angedeutet, Ihnen wären die politischen Ansichten meiner Freundin Celine bekannt. Dann müßten Sie auch wissen, daß es in diesen Ansichten nur eine wirkliche Konstante gab: ihr absoluter Pazifismus, ihre bedingungslose Ablehnung jeder Gewalt,
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