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Denn wer zuletzt stirbt

Denn wer zuletzt stirbt

Titel: Denn wer zuletzt stirbt
Autoren: Christoph Spielberg
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zitiert hatte, wenn wir verschiedener Meinung waren. Freund Heiner war spurlos im Irak verschwunden, nicht einmal ein Sarg bisher.
    Waldeck, dem bei dem Begriff »Asyl« oder »ProAsyl« jeweils ein leichtes Zucken der Unterlippe das Gesicht kurz entstellte, kehrte wieder den »bösen Bullen« heraus.
    »Dr. Hoffmann, Sie tischen uns hier die herzzerreißende Geschichte von den selbstlosen Helfern auf, die hier alles stehen und liegen lassen, ihren Beruf, ihre Freunde, nur um sich selbst mit ein paar LKWs auf den Weg quer durch Europa zu machen mit ein paar Sachen, die andere weit effizienter dort hätten hinbringen können. Meinen Sie, wir sind wirklich so einfältig, Ihnen dieses Märchen abzunehmen?«
    Einen Moment betrachtete ich die Welt durch die Augen von Herrn Waldeck: eine Welt, in der niemand seinen Urlaub als Krankenpfleger in den Slums von Kalkutta verbringt oder als Sozialhelfer in Lima, in der kein Ingenieur allein für ein Dankeschön Wasserleitungen in Afrika baut. Eine traurige Welt. War Waldeck mit dieser Weltsicht geboren? War sie Einstellungsvoraussetzung beim Bundesamt für Verfassungsschutz? Oder war dieser Defätismus erst mit dem Dienst für die BRD gekommen, handelte es sich um eine anerkannte Berufskrankheit? Auf jeden Fall hatte er nie Celine getroffen, nie ihre manchmal etwas naive, aber immer optimistische Hilfsbereitschaft erlebt.
    Dann sah ich mir seinen Kollegen genauer an. Seine Augen hatten etwas Abgeklärtes, mit einem Stich ins Bedauern. Ein netter Onkel, der abends den Nichten und Neffen Gute-Nacht-Geschichten vorliest. Bedeutete diese Abgeklärtheit, daß er alles Leid dieser Welt schon gesehen, alle Lügen schon gehört hatte, nichts ihn mehr erschüttern konnte? Würde er mich auch, mit dem gleichen Ausdruck ewigen Bedauerns, umbringen, wenn man es ihm befiele? Aber wahrscheinlich stellte ich mir die Arbeit beim Verfassungsschutz viel zu dramatisch vor. Diese Leute töten wahrscheinlich nur in Romanen oder im Film. In der Wirklichkeit wälzen sie, wenn sie nicht gerade einen Hochverdächtigen wie mich befragen, vorwiegend Akten, tippen mit ungeschickten Fingern Vernehmungsprotokolle in dreifacher Ausfertigung, legen »Vorgänge« an oder versuchen, ein paar Restauranttermine mit der Familie in die Spesenabrechnung einzuarbeiten.
    Waldeck wiederholte seine Frage, für wie naiv ich sie halte, mit einer solchen Geschichte zu kommen.
    »Was genau stört Sie an meinem Bericht?«
    »Herr Dr. Hoffmann, ich will Ihnen und Ihrer Freundin mal die gute Absicht unterstellen, wenigstens am Anfang. Kann ja sein. Aber auch wir vom Verfassungsschutz kennen uns ein wenig aus mit den Verhältnissen in Osteuropa und im Nahen Osten. Sie wollen uns doch nicht erzählen, daß Frau Bergkamp ohne ausgesprochen gute Kontakte zu den entsprechenden Kreisen dort Lastwagen voll mit wertvollen Medikamenten und medizinischen Instrumenten unbeschadet durch die Gegend fährt und tatsächlich sowohl mit den Lastwagen wie auch mit der kompletten Fracht bis in das irakische Kurdistan kommt. Also, alles was recht ist!« .
    Tatsächlich war die Fracht in Kurdistan nicht mehr ganz komplett, und was Waldecks Bedenken hinsichtlich Transporten durch Osteuropa betraf, waren sie wahrscheinlich eine korrekte Beschreibung der Realität. Aber wieder kannte er Celine nicht. Am besten hatte mir ihr E-Mail-Bericht von der bulgarischen Grenze gefallen, wo man sie nur gegen Abgabe mindestens der Hälfte der mitgeführten Sachen durchlassen wollte. Nach einer Nacht mit fünf Flaschen Slibovicz und unzähligen Runden Poker hatten sich die Schlagbäume gehoben. Aber, noch einmal: Man muß Celine kennen, um diese Geschichte zu glauben. Für mich hätte sich auch nach fünf Kisten Slibovicz die Grenze nicht geöffnet, sicher auch nicht für meine beiden Freunde vom Verfassungsschutz. Aber Einzelheiten gingen die beiden nichts an, ihnen gegenüber beließ ich es bei dem Hinweis auf Frau Bergkamps »ungewöhnliche Durchsetzungskraft«.
    Waldeck war nicht überzeugt, ganz und gar nicht, dafür um so mehr von seiner eigenen Theorie.
    »Ich will Ihnen sagen, wie man so einen Transport da unten durchbekommt. Sie haben es vorhin selbst erwähnt: mit Drogen zum Beispiel. Für ein paar Kilo ist in einem Lastwagen immer Platz. Natürlich nur um der guten Sache willen.«
    Seit wann kümmerte sich der Verfassungsschutz um Drogen? Soweit ich wußte, waren Drogen das neue Hobby des Bundesnachrichtendienstes, nachdem ihm die kommunistischen Spione
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