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Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)

Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)

Titel: Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Laura Lippman
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herausgefunden, dass Elizas Kinder nicht die gleichen Schulen besuchten wie ihre eigenen, und sahen deshalb offenbar keinen Grund, sich mit ihr anzufreunden.
    »… auf der Liste der Triebtäter.«
    Was? Eliza blendete die Umgebungsgeräusche aus und konzentrierte sich auf dieses Gespräch.
    »Wirklich?«
    »Ich habe mich beim County eintragen lassen, damit ich telefonisch Bescheid bekomme. Der Typ wohnt fünf Häuser von uns entfernt.«
    »Kinder oder normale Straftaten?«
    »Kinder, dritten Grades. Ich habe ihn auf der staatlichen Website herausgesucht.«
    »Was heißt dritten Grades?«
    »Keine Ahnung. Auf jeden Fall nichts Gutes.«
    »Und er wohnt in Chevy Chase?«
    Lange Pause. »Na ja, unsere Postadresse gehört zu Chevy Chase.«
    Eliza musste lächeln. Seit ihrer eigenen Haussuche wusste sie, dass manche Adressen verfälscht wurden und dass selbst in diesem begehrten Bezirk, einem der reichsten in Amerika, Hierarchien über Hierarchien galten. Was war schlimmer: einen Kinderschänder in der Nachbarschaft zu haben oder zugeben zu müssen, dass man eigentlich außerhalb von Chevy Chase wohnte? Die Benedicts wohnten in Bethesda, und Peter hatte darauf geachtet, dass es in einem Umkreis von sechs Blocks keine Sexualstraftäter gab, egal welcher Art. Allerdings war einer ihrer Nachbarn, ein sechzigjähriger Angestellter im öffentlichen Dienst, einmal wegen Aufforderung zur Unzucht in einer Toilette des Smithonian aufgegriffen worden.
    Nach dem Spiel – Iso hatte ihrem Team mit einem Strafstoß den Sieg gesichert, ein Erfolg, den sie lässig stilvoll hinnahm – stiegen die Benedicts wieder ins Auto und fuhren in den langen, endlosen Sommertag. Es war mittlerweile sehr heiß, am dritten Tag in Folge würde die Temperatur über fünfunddreißig Grad erreichen, und in diesem rohen Neubaugebiet ohne Bäume wirkte die Hitze noch drückender. Das viele Grün in ihrer Nachbarschaft gehörte zu den Dingen, die Eliza an ihrem Haus von ganzem Herzen liebte. Zwischen den alten, schattigen Bäumen fühlte es sich gleich vier, fünf Grad kühler an als im Geschäftsviertel entlang der nahe gelegenen Wisconsin Avenue. Ihre Straße erinnerte Eliza an Roaring Springs, das neu belebte Industriestädtchen bei Baltimore, aus dem sie stammte, an der Grenze zu einem State Park. Im Haus ihrer Eltern hatte es nicht einmal eine Klimaanlage gegeben, nur eine Reihe von Fensterventilatoren, trotzdem war es immer so kühl gewesen, dass sie gut schlafen konnten. Aber vielleicht waren ihre Erinnerungen auch überzeichnet. In den Geschichten der Lerners rankte sich um Roaring Springs beinahe etwas Mythisches. Der Ort war für sie, was Moskau für Tschechows drei Schwestern war. Nein, Moskau war immer das Ziel der Schwestern gewesen, während Roaring Springs der Ort war, den die Lerners ohne eigene Schuld hatten verlassen müssen.
    Eliza hielt bei Trader Joe’s an, was die Kinder als Belohnung empfanden, anders als bei »echten« Supermärkten. Beide durften sich eine Süßigkeit aussuchen, während Eliza durch die Gänge streifte und über das willkürliche Angebot des Geschäfts staunte, über die Artikel, die ohne Erklärung kamen und wieder verschwanden. Zu Sommerbeginn hatten sie und Albie köstliche Ingwerkekse entdeckt, große, weiche Plätzchen, aber sie waren nie wieder aufgetaucht, und irgendwie war es Eliza unpassend erschienen, danach zu fragen. »Es ist doch sicher eine Erleichterung, wieder richtig einkaufen zu können«, hatten die Frauen von Peters neuen Arbeitskollegen beim Kennenlernen gesagt. Viele Amerikaner, zumindest diejenigen, die England noch nie besucht hatten, schienen mit ihren Ansichten über das Land etwa 1974 steckengeblieben zu sein. Die Frauen malten sich Elizas Zeit in England als kalt und entbehrungsreich aus, eine Zeit, in der sie neben einer kümmerlichen Heizung gehockt hatte und mit Nierenpastete und Blutwurst traktiert worden war.
    Die gleichen Amerikaner, die sich England als materielle Einöde vorstellten, schrieben ihm zu viel Kultur zu, als würde das Land nur aus Shakespeare und der BBC bestehen. Eliza hatte dort einen noch stärkeren Star-Rummel erlebt als in Amerika. Während ihrer Zeit in England war Germaine Greer bei Big Brother eingezogen, was Eliza unglaublich deprimiert hatte, doch im Grunde empfand sie schon das Fernsehen an sich, die Allgegenwart von Bildschirmen im modernen Leben, als deprimierend. Für sie war es schrecklich, dass ihre Kinder und sogar ihr Mann mitunter von einem Moment
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