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Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)

Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)

Titel: Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Laura Lippman
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auf den anderen wie hypnotisiert waren von einem Fernseher oder einem Computer und reglos davor verharrten.
    »Manche Leute haben DVD -Player in ihren Autos«, meldete sich Albie vom Rücksitz, der sich manchmal auf nahezu unheimliche Art und Weise auf Elizas Wellenlänge einzustellen vermochte, als wäre ihr Gehirn ein Radio, an dessen Knöpfen er herumdrehen konnte. Sein Tonfall war freundlich, gedankenverloren, beiläufig, dabei wiederholte er seine Bemerkung ein, zwei Mal die Woche, seit sie das neue Auto gekauft hatten.
    »Davon wird dir nur schlecht«, sagte Iso. »Du wirst ja schon vom Lesen reisekrank.« Sie klang, als käme ihr bereits das Lesen an sich verdächtig vor.
    »Hier nicht, glaube ich«, sagte er. »Das war nur in England.« Mit England meinte Albie die Zeit, als er noch kleiner gewesen war. Hier in Amerika sollte alles Belastende hinter ihm liegen. Keine Alpträume mehr, hatte er beschlossen, und einfach so war es plötzlich mit ihnen vorbei gewesen – oder aber er schaffte es, sich eisern durch die Nacht zu kämpfen. Außerdem hatte er beschlossen, sich von einem wählerischen in einen experimentierfreudigen Esser zu verwandeln. Heute hatte er sich Cashewkerne mit Chili als Knabberei ausgesucht. Eliza ahnte schon, dass sie ihm nicht besonders schmecken würden, aber die Regel lautete, dass die Kinder aussuchen durften, was sie wollten, ohne Einschränkung, selbst wenn es nachher weggeworfen wurde. Was sollte es sonst bringen, Kindern Freiraum zum Ausprobieren und Scheitern zu geben, wenn man aus allem ein lästiges Lehrstück machte? Wenn Albie sich etwas aussuchte, das er nachher ungenießbar fand, hatte Eliza Mitleid und bot ihm an, er könne sich im kleinen Laden um die Ecke etwas anderes holen. Iso hielt sich dagegen an Altbewährtes, an beinahe kindische Leckereien wie Pirate’s Booty und Frogurt. Vom Kopf her war Iso eine fünfunddreißigjährige, geschiedene Frau, vom Magen her eine Dreijährige.
    Aber Wunder über Wunder, Albie mochte die Cashew-kerne. Nach dem Mittagessen schüttete er sie in ein Schälchen und trug sie ins Wohnzimmer, zusammen mit seinem »Cocktail«, einer Mischung aus Fruchtpunsch und Mineralwasser. Peter hatte in seinem früheren Job häufig Leute nach Hause eingeladen, und jetzt machte sich Eliza Sorgen, Londons feuchtfröhliche Kultur könnte bei ihrem Sohn einen etwas zu lebhaften Eindruck hinterlassen haben. Allerdings galt seine Begeisterung sichtlich dem Zeremoniell, den Bildern – den leuchtenden Farben der Getränke, den winzigen Happen Fingerfood. Eliza vertrug nur wenig Alkohol. Das gehörte zu den Dingen, die mit der Schwangerschaft gekommen und nicht wieder verschwunden waren. Auch ihr Körper hatte sich verändert, aber auf eine gute Art. Sie war bis in die Zwanziger hinein hager und ohne Kurven gewesen. Isos Geburt hatte ihr eine schmeichelhaft üppige Figur beschert, mit weiblichen Rundungen, aber gleichzeitig schlank.
    Der einzige Mensch, dem Elizas Körper nicht gefiel, war Iso, die sich an Models orientierte. Vor allem an den Möchtegern-Models aus einer schrecklichen Fernsehsendung, die aus Amerika kam und in England eine unerklärliche Beliebtheit genossen hatte. Als sie zurück nach Amerika gezogen waren, hatte sich Iso nur darüber beschwert, dass die Sendung hier ein Jahr weiter war und für sie damit einer ganzen Staffel die Spannung fehlte. »Die verraten die Gewinnerin ja im Vorspann!«, hatte sie gejammert. Trotzdem hatte sie sich die Wiederholungen angeschaut, die jeden Tag zu laufen schienen, obwohl sie das Ergebnis schon kannte. Sie sah sich gerade eine Folge an, als Albie versuchte, sich unauffällig näher zu schieben, indem er Stückchen für Stückchen über den Teppich rutschte.
    »Ess nicht so laut«, sagte Iso.
    »Iss«, korrigierte Eliza.
    Der ganze Nachmittag lag vor ihnen, träge und trotzdem irgendwie anstrengend, wie ein Gast, der mit einem Koffer voll schmutziger Wäsche eingetroffen war. Eliza hatte das Gefühl, sie sollte etwas Konstruktives tun, aber Iso lehnte ihren Vorschlag ab, Schulkleidung zu kaufen, und Peter hatte sie gebeten, die jährliche Fahrt zu Staples auf das Wochenende zu verschieben. Peter kaufte zu gerne Schulsachen ein, wenn auch nur, weil er dann den Werbespot nachspielen konnte, in dem ein Vater freudestrahlend zu »The most wonderful time of the year« durch den Laden tanzte. (Peter kam mit Sachen durch, die Iso ihrer Mutter niemals erlaubt hätte.) Für das örtliche Schwimmbad besaßen die
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