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Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)

Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)

Titel: Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Laura Lippman
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nach schälen. Er wusste, dass er es langsam angehen musste, aber er konnte es nicht, es gelang ihm einfach nicht. Sie lag auf dem Bauch, ausgestreckt auf einem langen, flachen Felsen. Claudes Pinsel fiel ihm ein, und er pustete ihr in den Nacken. Sie zog die Nase kraus, als wäre ein Insekt auf ihr gelandet. Als er ihr den Rücken massieren wollte, schüttelte sie seine Hand ab. »Nein«, sagte sie. Er berührte sie wieder, aber dieses Mal nicht zwischen den Schulterblättern, sondern zwischen den Beinen. »He«, sagte sie. »Lass das.« Jetzt klang sie nicht mehr so groß und überlegen. Er wollte nett sein, streichelte ihren Nacken, strich ihr übers Haar. Aus Zeitschriften wusste er, dass für Mädchen ein Vorspiel wichtig war. Aber es lief nicht so wie geplant. Erst später, als sie weinte, ging er im Geiste die möglichen Folgen durch: Sie wurde seine Freundin, sie erzählte es ihren Eltern, sie erzählte es anderen Mädchen, vielleicht sogar der Polizei, sie hörte nicht mehr auf zu weinen. Und ihm wurde klar, dass ihm nur eine Möglichkeit blieb.
    »Woher hast du die Kratzer, Walter?«, fragte sein Vater beim Abendessen.
    »Ich habe angehalten, um auszutreten, und bin direkt in einen dieser Dornenbüsche gelaufen, die am Highway wachsen«, antwortete er. Wenn jemand seinen Pick-up an der Route 118 gesehen hätte, wäre die Sache damit erklärt.
    »Du hast ganz schön lange gebraucht, um den Keilriemen zu besorgen.«
    »Ich habe doch schon gesagt, dass ich bis nach Hagerstown fahren musste, und da hatten sie auch keinen. Ich habe einen bestellt.«
    »Hätte schwören können, bei Pep Boys in Martinsburg hätten sie gesagt, sie haben, was ich brauche.«
    »Nein, sie hatten die falsche Größe. Die Leute in diesen Läden haben keine Ahnung. Keine Arbeitsmoral, und Kundenservice interessiert sie auch nicht.«
    Das genügte, um seinen Vater in eine Tirade über den Untergang der Kleinunternehmer zu stürzen.
    Am Wochenende wurde in allen Lokalnachrichten über Kelly Gore, das vermisste Mädchen, berichtet. Sie hat ihren Namen gar nicht mehr ändern können, dachte Walter. Eine Woche verging, ein Monat, der ganze Sommer, ein Jahr. Er nannte sie in Gedanken Kelly, die Göre. Er hatte ihr schon gezeigt, wer das Sagen hatte. Es hätte nett werden können, sie hätte nicht mit ihm zum Fluss fahren dürfen, um Gras zu rauchen, das Gras hatte ihn durcheinandergebracht, wahrscheinlich war er nicht mal ihr Erster gewesen, dabei war sie erst vierzehn, wie es in den Nachrichten hieß. Schlampe. Junkie. Schon die Tatsache, dass sie nie gefunden wurde, dass man ihn nicht schnappte, dass die Polizei nie mit ihm sprach, dass sich niemand meldete und aussagte, er habe Walter Bowmans Pick-up an diesem Tag auf dem Hügel beim Fluss gesehen, dass sie diesen Teil des Flusses nicht einmal absuchten – all diese Dinge bewiesen, dass er das Richtige getan hatte.
    Wenn er frei hatte, unternahm er lange Spazierfahrten und suchte nach weiteren Mädchen, die er mitnehmen konnte.

Kapitel 3
    »Haha«, las Peter erstaunt. »Er hat tatsächlich ›haha‹ geschrieben.«
    »Wenn er am Computer Mails schreiben dürfte, hätte er wahrscheinlich ein Zwinkermännchen dahintergesetzt, das mit dem Semikolon.«
    Peter hielt den Brief auf Armeslänge von sich, obwohl er nicht weitsichtig war, zumindest noch nicht. Er war ein Jahr jünger als Eliza. Den Brief betrachtete er wie ein Gemälde, wie ein abstraktes Porträt von Walter Bowman oder eines dieser dreidimensionalen Bilder, die eine Zeit lang so beliebt gewesen waren. Von Nahem betrachtet waren es Wörter in schrillem, säuberlichem Violett. Aus der Entfernung verschmolzen sie zu einem lavendelfarbenen Wirrwarr, einem impressionistischen Entwurf violetter Hügel.
    Peter war an diesem Abend gegen halb acht nach Hause gekommen, was zurzeit recht früh für ihn war, aber Eliza hatte ihm erst von dem Brief erzählt, als die Kinder oben waren. Sie hätte mit einer vertrauten Losung unauffällig darauf anspielen können: der Sommer, als ich fünfzehn war. Im Laufe der Jahre hatte sie schon unterschiedlichste Dinge damit erklärt. Etwa wenn sie das Kino verlassen musste, weil der Film eine unerwartete Wendung genommen hatte, oder dass sie ihr Haar nicht kurz tragen wollte, obwohl ihr das besser gestanden hätte als ihr Schnitt, der weder lang noch kurz noch irgendwas war. Wenn sie es recht bedachte, hatten sie diese Losung schon lange nicht mehr benutzt, nicht seit Peter Anfang des Jahres nach Amerika
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