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Denn das Glueck ist eine Reise

Denn das Glueck ist eine Reise

Titel: Denn das Glueck ist eine Reise
Autoren: Caroline Vermalle
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jetzt viel stärker, wenn er genau darüber nachdachte. Und Schmerzen, das war etwas, was Charles mit seiner Hüfte sehr gut verstand.
    Georges empfand daher Erleichterung, die durch seine Schmerzen ein wenig getrübt wurde, als er sich in die 13-Uhr-Nachrichten im Fernsehen vertiefte. Während er es vermied, in Richtung des Kamins zu schauen, wo sein Koffer Wurzeln schlug, döste er allmählich ein. Er hatte aufgegeben.
    Charles hingegen, auf der anderen Seite des Gartens, hatte nicht aufgegeben. Und wenn er seinen Freund an dessen schrumpeligem Hintern hinter sich herschleifen müsste, sie würden sie machen, diese Tour de France.

    »Die Tour de France? Im Rolossénic?« Der kleine Lucas schaute seinen Urgroßvater mit seinen großen, runden Knopfaugen voller Bewunderung an.
    »Oma, was ist ein Rolossénic?«
    »Ein Renault Scénic, Lucas. Das ist ein Auto«, erklärte ihm Thérèse geduldig.
    »Ja, aber ein Auto mit vielen technischen Spielereien«, sagte Charles, dem es wichtig war, dies hervorzuheben.
    »Was denn für technische Spielereien, Opa?« Charles bedauerte es schon, sich auf diese Schlitterpartie eingelassen zu haben: Bei einer Diskussion über technische Spielereien mit einem Experten von sieben Jahren würde er auf jeden Fall den Kürzeren ziehen.
    »Viele Extras, verstehst du.« Er zog sich gar nicht so schlecht aus der Affäre.
    »Und wie viele Stunden braucht ihr dann?«
    »Nein, Lucas, für die Tour de France nehmen wir uns ein paar Wochen Zeit.«
    »Ach so. Dann haltet ihr oft an.«
    »Ja, genau. Wir halten oft an«, antwortete Charles, ein wenig enttäuscht.
    Sie waren alle in der Küche. Charles und Thérèse, ihre Enkeltochter Annie, ihr Mann Frank und deren zwei Kinder – Lucas und Justine, die erst sieben Monate alt war. In dieser kleinen Küche, deren Tapete irgendwann einmal vor langer Zeit modern gewesen war, roch es nach Lauch und Meister Proper. Mitten auf dem Resopaltisch stand eine Vase mit Dahlien aus dem Garten. An den Wänden hingen mit Reißzwecken befestigte Fotos der Enkelkinder, und an der alten Standuhr hing noch immer eine Weihnachtsgirlande vom letzten Jahr. In der Küche fühlten sich alle wohl, besonders Thérèse, denn hier führte sie das Regiment. Thérèse war eine kleine, rundliche Frau, die aussah wie die Omas aus dem Fernsehen. Sie hatte keinen Hals, immer sorgfältig gebügelte Blusen, kleine Füße, eine braune Spange in ihrem grauen, zu einem Pagenkopf geschnittenen Haar und vor allem einen eisernen Willen. Charles und Thérèse waren seit neunundfünfzig Jahren verheiratet. Sie waren glücklich und wussten es auch. Das Leben war ihnen mehr oder weniger gnädig gewesen, und zudem hatte man bei den Lepensiers gelernt, alles positiv zu sehen, noch bevor dieses Konzept in Mode gekommen war. Einen guten Rat für ihre Mitmenschen zu finden, wenn diese ein Problem hatten, das war Thérèses große Stärke, und die Frauen in der Familie hatten dieses Talent alle geerbt.
    Charles war mal wieder auf die Weisheit seiner Frau angewiesen. Sie konnten ihren Plan jetzt auf gar keinen Fall mehr aufgeben. Thérèse und Charles lag diese Reise sehr am Herzen, und sie hatten viel zu viel Hoffnung hineingesteckt. Allein konnte er die Tour de France nicht machen. Einerseits, weil Georges die gesamte Reise einschließlich des nagelneuen Scénic finanzierte, und andererseits, weil ... weil er sie allein eben nicht machen konnte.
    »Weißt du, Thérèse, diese Tour ist noch nicht in trockenen Tüchern. Wenn man bedenkt, dass wir uns schon seit einer Ewigkeit damit beschäftigen ... Und jetzt gibt es Probleme mit Georges. Seine Enkeltochter.«
    Thérèse, die den Tisch fürs Mittagessen deckte, verharrte mitten in der Bewegung.
    »Wie, seine Enkeltochter? Die in London ist und die ihn nie anruft?«, fragte sie Charles besorgt.
    »Genau die. Bloß jetzt, da ruft sie an. Das muss Françoise gewesen sein, die sie darum gebeten hat. Na ja, ich weiß nicht, was die Mutter und die Tochter da ausgeheckt haben. Jedenfalls hat Adèle angerufen, und Georges verliert jetzt völlig die Nerven.«
    Thérèse starrte auf die Tischdecke, und Charles fuhr fort.
    »Also weißt du, unser Georges ist nicht der Typ, der vor irgendetwas Muffensausen hat. Aber seine Tochter, oh, seine Tochter ... Er sagt, sie steckt ihn in ein Heim, wenn sie ihm auf die Schliche kommt.«
    Annie spielte mit dem Baby, das auf ihrem Schoß saß.
    »Und du, glaubst du auch, dass Françoise ihn in ein Heim stecken
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