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Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Titel: Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben
Autoren: Eckhard Henscheid
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eigenen Erinnerungsbuch lang nach Hamann, Varnhagen und dem unverzichtbaren Generalfeldmarschall v. Manteuffel gemeint sein: Im Prinzip bescheiden. Bescheiden und beschaulich.
    Nun also meinerseits selbstbiografische »Denkwürdigkeiten«: Aufzeichnungen aus genau 70 Lebensjahren, niedergeschrieben fast allesamt erst in den Jahren 2010/11. Dem Bildungswillen schon – der Leserneugier, so wenig sie ja grundsätzlich verboten ist und so sehr sie uns alle letztlich umtreibt, wurde aber in diesem Buch nur eingeschränkt gewillfahrt. Wie plausibel, im gehörigen Verein mit anderweitigen Lektüregründen, sie manchmal auch sein mag. Immerhin: Interessante ältere Plänkeleien und Streitsachen, auch juristische, wie sie seinerzeit durch die Medien walkten, manchmal recht seltsamlich und mißverständlich-mißverstanden walkten, finden sich hier nochmals zusammengerafft; vieles war allerdings auch schon in früheren Büchern und anderen Publikationen hinreichend und manchmal etwas mürrisch bekannt gemacht worden, zum Beispiel in den Editorischen Notizen meiner zehn Bände umfassenden Werkausgabe. Anderes wurde, neu und genauer bedacht, hier nochmals vorgetragen; im Sinne des zweiten Wortteils, der »Würde«, diese nämlich im Verbund mit Friedrich Schillers Begriff der Würde und des Erhabenen als dem »Ausgang aus der sinnlichen Welt« vom Jahre 1801; hinein in eine entschieden spirituelle, eben – denkerische. Denn selbstverständlich, man soll nach sieben Lebensjahrzehnten auch nicht mehr andauernd unchristlich zu geifern und raufen bzw. gegen – z.T. wehrlose – Tote nachzutrumpfen trachten.
    »Denkwürdigkeiten«: Meint, noch einmal, das alte und auratisch so gemütvolle und behagliche und sogar etwas betuliche Wort gewissermaßen unterschwellig, unbewußt begriffsimmanent, daß manche Dinge des Nachdenkens über sie würdig seien, die anderen und meisten jedoch nicht? Oder ist, wie vielleicht Goethe und noch vielleichter Graf Kessler behaupteten, doch mehr alles und jedes denkwürdig, im Sinne der und vor allem unserer eigenen »Selbstvergewisserung« (F.J. Raddatz oder wer halt)? Welche letztere gewißlich in unserem Buch ohnehin eine große, eine bedeutende und beständig tragende Rolle spielte, sowieso. Auch diese Frage wollten wir im Zuge unseres Buchs keineswegs von uns stoßen; sondern schub-, ja genauer stoßweise im Auge behalten. Dies wiederum neu und vertieft bedacht; ja möglichst noch viel vertiefter!
    Das Leben lebe im Grunde nicht mehr, argwöhnten hintereinander und fast unisono Ferdinand Kürnberger, Karl Kraus und Adorno; währenddessen das Leben so unentwegt wie unbehelligt weiter vor sich hin plätscherte. Das Ganze, das Paradox, hat im Kern, vermutlich in seiner fraktalen Struktur etwas durchaus Fadenscheiniges, Blümerantes, beinahe Obszönes. Vielleicht ist es so, weil die denkwürdigsten Dinge, Ansichten, Augenblicke des Lebens ungeachtet ihrer Denkwürdigkeit selten festgehalten werden, festzuhalten sind. Festgehalten am wenigsten in Buchstaben. Kleist tut es auch nicht als ein Teil seiner Erinnerungen, sondern bei Gelegenheit seiner Betrachtung von Caspar David Friedrichs Mönch am Meer, wenn er da nämlich den Eindruck gewinnt, »daß man alles zum Leben vermißt, und die Stimme des Lebens dennoch im Rauschen der Fluth, im Wehen der Luft, im Ziehen der Wolken, dem einsamen Geschrei der Vögel vernimmt«. Mehr ist werweiß im Leben nicht drin, Mehreres und Kernhafteres, und insofern auch kaum Denkwürdigeres. Aber auch dies Abgesonderte, das wie dem Meer Caspar David Friedrichs auch den biederen Buchstaben am Schreibtisch eigen ist, könnte wohl nach sieben durchschrittenen und vertilgten Jahrzehnten nochmals und ein letztes Mal jene Stimmen und die ihnen vermählten Bilder »vor unsere Seele gaukeln« (J. v. Eichendorff), welche das plätschernde Gaukeln schon seit ebenso vielen Dekaden so unermüdlich und womöglich ewig gleich schön betreiben, oder sich jedenfalls dergestalt um uns bemühen, mal mit mehr, mal mit weniger Gewinn usw.; doch wie auch immer:
    »Die Zeit unseres Lebens währt insgesamt siebzig Jahre«, so hat es der Psalmist (90,10) dekretiert. Das muß nicht sein. Achtzig, neunzig sind heute auch vom Papst erlaubt. Aber zumindest sollte man nach sieben Jahrzehnten, solange die Zwetschgen noch ordentlich beieinander sind, schickliche Rückschau auf ihre Denkwürdigkeiten schon mal halten dürfen. Ehe man, ein mißvergnügter Schatten seiner selbst, hinten schon gar
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