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Denken Sie Nicht an Einen Blauen Elefanten

Titel: Denken Sie Nicht an Einen Blauen Elefanten
Autoren: Michael Spitzbart , Thorsten Havener
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Beispiel im limbischen System und im assoziativen Teil des Kortex), die wiederum auf das Körpergefühl
     zurückwirken. Das Körpergefühl (das nicht nur durch externe Reize, sondern auch durch Erinnerungen an vergangene Erlebnisse
     entsteht) ist noch vorbewusst und nicht an Sprache gekoppelt. Es ist ein «Körper-Selbst», das als Grundlage für weitere, immer
     differenziertere Schichten unseres Selbst dient. Dieses System hat immer eine individuelle Geschichte und ist |32| auf Körperebene als emotionales Reaktionsmuster verankert, das durch Interaktionserfahrungen mit der Mutter entstanden ist.
     Erst im Laufe der Zeit entwickelt das Gehirn kognitive und selbstreflektierende Fähigkeiten, das heißt ein Selbstbild, das
     wir für gewöhnlich «Ich» nennen.
    [Bild vergrößern]
    Das Gehirn passt neuronale Verschaltungen und synaptische Verbindungen immer an das an, womit es in enger Beziehung steht;
     am Anfang der Entwicklung ist das zunächst nur der eigene Körper. Auch Sinneseindrücke, die von außen ausgelöst werden, betrachtet
     der kindliche Organismus als innere, körperliche Erlebnisse. Mit der Zeit werden Beziehungen zu anderen Menschen wichtiger
     und mitunter enger als die zum eigenen Körper, was dazu führen kann, dass die Beziehung |33| zum Körper verkümmert. Häufig lässt sich zum Beispiel beobachten, dass der bei kleinen Kindern noch vorhandene Impuls, den
     ganzen Körper einzusetzen, um Gefühle und Bedürfnisse auszudrücken, in späteren Jahren deutlich unterdrückt und kontrolliert
     wird. Ursprünglich wird unser Denken, Fühlen und Handeln ausschließlich von den eigenen Körpererfahrungen und Sinneseindrücken
     geprägt. Wird dieses Fundament rigoros unterdrückt, wird sich der Mensch selber fremd. Daraus lässt sich folgern, dass Gehirn
     – oder Geist – und Körper, Body and Mind, aufgrund ihrer gemeinsamen Entstehungsgeschichte untrennbar miteinander verbunden
     sind. Verändert sich das eine, beeinflusst dies das andere. Im Grunde gibt es «das eine» und «das andere» gar nicht – beide
     sind eins.
    Dennoch geschieht die Trennung von Verstand und Körper gewöhnlich durch den Prozess der Anpassung an andere Menschen und die
     Gesellschaft. Das Bedürfnis, dazuzugehören und geliebt zu werden, ist stärker als die Bedürfnisse des Körpers. Diese Sozialisierung
     ist notwendig, damit das soziale Wesen Mensch überleben kann, doch sollte das Körpergefühl bei diesem Prozess unbedingt erhalten
     bleiben, da es von gleichwertiger Bedeutung für den Menschen ist.
    Die wichtigste Erkenntnis der Hirnforschung lautet nach Meinung von Maja Storch, Diplompsychologin, Psychodramatherapeutin
     und Mitglied der «Jungen Psychoanalytiker»: Unser Gehirn ist eine lebenslange Baustelle. Alles, was wir erleben, wird als
     Muster des Erlebens und Verhaltens im Gehirn «verkörpert» und bleibt formbar. Das bedeutet aber auch, dass wir – unser Geist
     und unser Körper – niemals «fertig» sind und wir die Möglichkeit haben, alte – motorische, sensorische oder affektive – Muster
     zu verlassen. Dies ist möglich, indem wir beginnen, anders wahrzunehmen, zu denken, zu fühlen und zu handeln als bisher.
    |34| i Der freie Wille – eine Schimäre oder Faktum?
    Gibt es einen freien Willen? Was meint die Medizin? Die moderne Hirnforschung sagt: «Nein!» Ich sage: «Nein, nicht wirklich,
     aber das ist auch nicht weiter schlimm!» Der freie Wille ist nach Meinung renommierter Wissenschaftler wie der Hirnforscher
     Wolf Singer oder John-Dylan Haynes wahrscheinlich nur eine Illusion, da unser Gehirn und damit auch unser Bewusstsein und
     unser Selbstbild physikalischen Gesetzen gehorcht, also ein deterministisches – vorherbestimmtes – System ist. Haynes hat
     2008 im Fachblatt
Nature Neuroscience
eine Studie veröffentlicht, in der er anhand der Aktivität zweier Hirnregionen das Handeln seiner Versuchspersonen voraussagen
     konnte; und zwar volle zehn Sekunden bevor sie sich selbst ihres Entschlusses bewusst waren. Fairerweise muss man sagen, dass
     diese Voraussagen derzeit nur bei sehr einfachen und klaren Alternativen gemacht werden können und auch dann nur zu 60   Prozent zutreffen. Doch um die Voraussage ging es Haynes gar nicht. Entscheidend war der Zeitpunkt, zu dem die Hirnaktivität
     gemessen wurde – eben zehn Sekunden bevor der Proband selber wusste, was er tun wollte. Der Wissenschaftler schlussfolgerte,
     dass eine Reihe von unbewussten Prozessen der bewussten
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