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Denken hilft zwar, nutzt aber nichts

Denken hilft zwar, nutzt aber nichts

Titel: Denken hilft zwar, nutzt aber nichts
Autoren: Dan Ariely
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Unehrlichkeit erworben haben.
    Dieser Blick auf die Wirklichkeit ist besorgniserregend. Wir können hoffen, uns mit guten, moralischen Menschen zu umgeben, aber wir müssen realistisch sein. Selbst gute Menschen sind nicht gegen partielle Verblendung durch ihr eigenes Denken gefeit. Diese Blindheit führt dazu, dass sie Dinge tun, bei denen sie um finanzieller Vorteile willen ihre eigenen moralischen Maßstäbe außer Acht lassen. Im Grunde kann uns die Motivation darüber täuschen, ob wir gute, moralische Menschen sind oder nicht.
    So stellte der Schriftsteller und Journalist Upton Sinclair einmal richtig fest: »Es ist schwierig, einem Menschen etwas begreiflich zu machen, wenn sein Gehalt darauf beruht, es nicht zu begreifen.« Man könnte den folgenden Satz hinzufügen: Noch schwieriger ist es, einem Menschen etwas begreiflich zu machen, wenn er es mit nicht monetären Währungen zu tun hat.
     
    Das Problem der Unehrlichkeit besteht übrigens nicht nur bei Individuen. In den letzten Jahren haben wir gesehen, dass die Ehrlichkeit in der Wirtschaft im Allgemeinen abgenommen hat. Ich spreche nicht von großen Betrügereien, wie sie bei Enron oder Worldcom entdeckt wurden. Ich meine die kleinen unredlichen Tricks, die mit dem Klauen einer Cola aus dem Kühlschrank vergleichbar sind. Anders gesagt, es gibt Unternehmen, die uns sozusagen nicht das Geld vom Teller stehlen, sondern Dinge, die nur indirekt mit Geld zu tun haben.
    Hierfür könnte man unzählige Beispiele nennen. Kürzlich ging ein Freund von mir, der seine Vielfliegermeilen für einenUrlaub aufgehoben hatte, zu der Fluggesellschaft, die diese Meilen vergeben hatte. Dort sagte man ihm, dass alle Flüge, die er ausgesucht hatte, ausgebucht seien. Obwohl er 25 000 Meilen angesammelt hatte, konnte er sie nicht verwenden (und er hatte etliche Flugtermine zur Auswahl). Wenn er jedoch, wie die Mitarbeiterin der Fluggesellschaft ihm erklärte, 50 000 Meilen einsetzen wolle, könnte es noch ein paar Plätze geben. Sie sah nach. Natürlich gab es für sämtliche in Frage kommenden Termine noch Tickets.
    Wahrscheinlich stand irgendwo im Kleingedruckten der Broschüre für Vielflieger, dass dies seine Richtigkeit habe. Für meinen Freund aber stellten die 25 000 Meilen, die er angesammelt hatte, eine Menge Geld dar – etwa 450 Dollar. Hätte die Fluggesellschaft ihn auch um dieselbe Summe in Form von Geld betrogen? Hätte sie ihm das Geld von seinem Konto gestohlen? Nein. Doch da es sich indirekt doch um Geld handelte, stahl sie es ihm in Form der Zusatzforderung von 25 000 Meilen.
    Nehmen wir ein anderes Beispiel: die Gebühren, die die Banken für Kreditkarten verlangen. Denken Sie an die Zinsberechnung bei Teilrückzahlungen. Dabei gibt es verschiedene Varianten, aber das Grundprinzip ist folgendes: Wenn Sie Ihre Kreditkartenrechnung nicht auf einen Schlag bezahlen, wird das Kreditinstitut nicht nur eine hohe Zinsrate bei neuen Einkäufen, sondern auch Zinsen für vergangene Kreditkartennutzungen verlangen. Als sich der Bankenausschuss des Senats vor kurzem mit dieser Praxis beschäftigte, ließen zahlreiche Berichte von Betroffenen die Banken als ziemlich unredlich dastehen. So belief sich beispielsweise bei einem Mann aus Ohio, der seine Kreditkarte mit 3200 Dollar belastet hatte, die Schuld bald auf 10 700 Dollar – aufgrund von Mahn- und sonstigen Gebühren sowie Zinsen.
    Bei den untersuchten Banken handelte es sich nicht um dubiose Briefkastenfirmen, die hohe Zinsen und Gebühren verlangten, sondern um amerikanische Banken, die zu den größten und wahrscheinlich auch angesehensten im Land gehören – und deren Werbung Ihnen das Gefühl zu geben versucht, Sie und die Bank seien eine »Familie«. Würde ein Familienangehöriger Ihnen die Brieftasche stehlen? Nein. Diese Banken aber würden es bei einer Transaktion, die nicht unmittelbar mit Bargeld zu tun hat, offenbar tun.
    Wenn man Unehrlichkeit durch diese Brille betrachtet, wird deutlich, dass man jeden Morgen, wenn man die Zeitung aufschlägt, weitere Beispiele hinzufügen könnte.
     
    Und so kehren wir nun zu unserer ersten Beobachtung zurück: Ist Geld nicht etwas Seltsames? Sobald wir mit Geld zu tun haben, sind wir darauf vorgeprägt, uns zu verhalten, als hätten wir soeben einen Ehrenkodex unterzeichnet. Und wenn man sich einen Dollarschein ansieht, dann scheint er tatsächlich einen Vertrag zu beschwören: »Die Vereinigten Staaten von Amerika« steht dort in auffälliger Schrift, die mit
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