Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Den lass ich gleich an

Den lass ich gleich an

Titel: Den lass ich gleich an
Autoren: E Berg
Vom Netzwerk:
losließ, die rund um die Uhr arbeiteten und ihre Kinder vernachlässigten. Panik stieg in Lulu hoch. Wenn sie nicht auf der Stelle zum Endspurt ansetzte, musste sie den Abend absagen.
    »Lottes Lieblingspudding steht im Kühlschrank«, sagte sie schnell. »Vielleicht liest du ihr vor dem Einschlafen noch was vor?«
    Gill zog die Augenbrauen hoch. »Vorlesen? Ich nehme doch an, dass sie ihre Kinder-CDs bevorzugt.«
    Für weitere Diskussionen war es zu spät. Lulu bestellte ein Taxi, dann eilte sie zu Lotte. Heftig umarmte sie das Mädchen, das auf einmal schrecklich zart und zerbrechlich aussah.
    »Nicht vergessen: Du bist für mich der wichtigste Mensch auf der Welt«, flüsterte sie Lotte ins Ohr. »Oma steckst du doch lässig in die Tasche. Sie ist ein Eiszapfen, stimmt. Lass ihn einfach schmelzen. Und überhaupt: Morgen Nachmittag gehen wir Eis essen, ja?«
    Lotte nickte ergeben. »Ooo-kay …«
    Nachdem sich Lulu ihren unförmigen Rucksack mit der Aufschrift »Rettet den Regenwald« geschnappt hatte, warf sie ihrer Mutter einen flehenden Blick zu. Sei nicht so furchtbar streng, sagte dieser Blick. Mach Lotte glücklich, nur dieses eine Mal.
    Dann flüsterte sie: »Kann später werden.«
    Gill zog geräuschvoll die Luft durch die Nase ein. »Genug Komödie gespielt. Wer ist er?«
    »Wir kennen uns vom Job«, antwortete Lulu, während sie nervös mit der Nudelkette spielte. »Er hat mich zum Essen eingeladen. Unverzeihlicherweise hat er vergessen, dich um Erlaubnis zu fragen. Und wenn du gestattest, leiste ich mir jetzt einen kleinen Rest Privatleben.«
    Wieder sah sie auf die Uhr. Zehn vor acht. Der Countdown war so gut wie runtergezählt.
    »Frag ihn unbedingt, ob er Kinder mag!«, rief Lotte vom Sofa herüber.
    »Klar, was sonst?«, rief Lulu zurück.
    Dann marschierte sie davon, tapfer wie ein kleiner Soldat, der Haus und Hof hinter sich lässt, um in den Krieg zu ziehen. »Love is a battlefield«, summte sie vor sich hin. Sie hatte sich fest vorgenommen, nach langer, langer Zeit endlich einmal wieder siegreich vom Schlachtfeld zu gehen.
    Als das Taxi vor der Olive hielt, piepste Lulus Handy. Es waren zwei Nachrichten gekommen.
    Die erste lautete: Freu mich auf Sie, Mike .
    Die zweite: Lotte hat sich gerade übergeben. Was tun?

Kapitel 2
    Die Olive war überirdisch elegant. Es war die Sorte Lokal, wo schon die Vorspeise so viel kostete wie das Fastfood-Menü einer Kleinfamilie. Die Wände leuchteten matt in dunklem Violett, auf den weißgedeckten Tischen schimmerte Silberbesteck. In den Ecken standen riesige Vasen mit magentafarbenen Lilien, die einen betörenden Duft verströmten.
    Lulu konnte sich nicht erinnern, jemals in der Olive gewesen zu sein, dennoch empfing sie der Patron wie seine beste Freundin.
    »Ah, cara mia, du siehst phantastisch aus heute Abend«, gurrte er, während er einen Handkuss andeutete. »Hast du reserviert?«
    Lulu schüttelte den Kopf. Seit der SMS ihrer Mutter konnte sie nicht mehr klar denken. Wenn es Lotte schlechtging, war Lulus Platz bei ihrem Kind. Aber falls sie jetzt das Date absagte, entging ihr die vielleicht letzte Chance, jemals bemannt durchs Universum zu fliegen.
    Die Alternative stand ihr nur allzu deutlich vor Augen. Grau und öde würde sie sein, die Zeit zwischen Einzelbett und Bahre, und die einzigen Stimmungsaufheller blieben Schokolade und Prosecco. Das Schlimmste aber war: Siewürde vergessen, wie das geht mit einem Mann. Was? Na, das eben.
    Nein, sie musste den Gedanken an Lotte irgendwie wegparken und sich ganz auf Mike konzentrieren. Es war schließlich nicht das erste Mal, dass Lotte in hohem Bogen hinausbeförderte, was zu süß, zu fett oder ein Chemikaliencocktail war.
    Lulu hatte deswegen schon mehrfach den Kinderarzt konsultiert. Doch der hatte nur festgestellt, dass Lotte einen empfindlichen Magen besaß und im Übrigen kerngesund war. Grund zur Sorge gab es also nicht. Bloß eine Familienpackung Schuldgefühle.
    Die nächste SMS kam. Hallo? Was soll ich nun tun?
    Kamillentee!, tippte sie eilig. Der hilft immer!
    Dann spähte sie ins Lokal. Mike war natürlich schon da. Gerade sprach er mit einer jungen Kellnerin, die so fasziniert an seinen Lippen hing, als erklärte er ihr die Geheimnisse der Quantenphysik.
    Geschenkt, beruhigte Lulu sich. Der wärmt sich nur auf. Hauptsache, er hat seine gute Laune nicht verloren. Eine halbe Stunde Verspätung kann man sich eigentlich nur leisten, wenn man zwanzig ist, Kleidergröße 34 trägt und den Tag beim
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher