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Den lass ich gleich an

Den lass ich gleich an

Titel: Den lass ich gleich an
Autoren: E Berg
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sein.
    Das Studio war völlig überfüllt. Stylisten polierten die Edelstahlspüle und trugen Blumenarrangements hin und her, Beleuchter schraubten an den Lampen herum. Gleich drei Make-up-Artisten umflatterten das Model, zogen den Lippenstift nach, toupierten die blonde Mähne, stäubten Puder auf das beneidenswert glatte Gesicht.
    Einmal noch siebzehn sein, ging es Lulu durch den Kopf. Einmal noch jung, straff und cellulitefrei. Dann verwarf sie den Gedanken wieder. Schließlich hatte sie auch was zu bieten: Erfahrung, Reife und … ja, was eigentlich außer jeder Menge Selbstzweifel?
    Sie bahnte sich einen Weg zu ihrem Assistenten Philipp,der gerade eine Schale Obst präparierte. Philipp war ein begnadeter Spezialist für das kamerataugliche Aufhübschen von Nahrungsmitteln. Noch das schlappste Endivienblatt konnte er mit Motoröl und Haarspray in einen appetitlichen Salat verwandeln.
    »Mensch, Lulu, du bist so was von zu spät«, flüsterte er ihr zu.
    »’tschuldigung, schneller ging’s nicht. Mein Chauffeur hat seinen freien Tag.«
    Philipp grinste. »Dann gib wenigstens jetzt Gas, alle warten auf dich!«
    Lulus Assistent war gerade mal zwanzig, ein magerer Junge mit Pferdeschwanz und Nickelbrille. Er trug nie etwas anderes als eine schwarze, abgeschabte Lederhose und ein weißes T-Shirt. Trotz seines jugendlichen Alters schaffte er es immer wieder, seine schützende Hand über Lulu zu halten. Schon mehrfach hatte er sie gerettet, wenn sie wieder einmal zu spät kam. Auch heute. Vorsorglich hatte er ihr Stativ aufgebaut und verschiedene Objektive bereitgelegt.
    »Du bist wunderbar«, flüsterte Lulu zurück. »Mein Fels in der Brandung.«
    »Dann halt dich gut fest, die nächste Welle kommt bestimmt«, raunte Philipp ihr zu. »Die Auftraggeber haben schon dreimal nach dir gefragt.«
    Unauffällig deutete er auf zwei Herren, die sich zum Verwechseln ähnlich sahen: schwarze Anzüge, schwarze T-Shirts, schwarze Streberbrillen, Dreitagebart. Von weitemhätte man sie für Zwillinge halten können. Gelangweilt tranken sie Espresso, während sie auf ihren Smartphones herumtippten.
    Waschechte Werbefuzzis eben, dachte Lulu, es lebe das Klischee. Was wussten solche Männer schon von ihrem aufreibenden Leben? Immer auf dem Sprung, immer in Hetze? Dauernd trug sie irgendwelche Zettel bei sich: Donnerstag: 16 Uhr Kinderarzt, Freitag: Wandertag, wetterfeste Schuhe für Lotte kaufen!!!, Montag: Elternabend! Allein das wäre ein Fulltimejob gewesen. Daneben musste sie den Haushalt schmeißen, einkaufen und wenigstens einigermaßen gesunde Sachen kochen, unermüdlich wie das Duracell-Häschen. War es ein Wunder, dass sie manchmal tagelang dasselbe T-Shirt trug? Und dass Pünktlichkeit nicht gerade ihre Stärke war?
    »Ich hol dir einen Kaffee, siehst ziemlich mitgenommen aus«, schlug Philipp vor. »Na, ich krieg dich schon hin, schließlich bist du ein koffeinbetriebenes Genie!«
    Philipp war nicht nur Lulus Assistent, er war auch ihr Depressionsbetreuer, ihr Mädchen für alles und der beste Coach unter der Sonne.
    »Ein Platz im Himmel ist dir sicher«, erwiderte Lulu dankbar.
    Sie atmete tief durch, während in ihrem Kopf das Hilfe-ich-hab-ein-Date-Programm weiterlief. Beine rasieren, Gesichtsmaske, was noch? Nicht nur, dass sie nichts Anständiges anzuziehen hatte. Ihr wurde flau bei dem Gedanken an das Darunter. So etwas wie verheißungsvolleDessous besaß sie nicht. Sollte sie ihre figurformende Wäsche anziehen und riskieren, beim Nahkampf auszusehen wie eine Presswurst? Sollte sie das rosa Wäscheset mit den hüpfenden Kängurus anlegen? Oder sich noch schnell ein Nichts aus schwarzer Spitze kaufen? Dann hätte allerdings jede Speckrolle ihren Soloauftritt.
    »Hier, doppelter Espresso, dröhn dir das Zeug auf ex rein«, riss Philipps Stimme sie in die Wirklichkeit zurück. »Du weißt ja: Fit & Ex. Und dann los!«
    Lulu schlürfte brav die bittere Brühe und marschierte mit federnden Schritten in die Küchendeko.
    Die beiden Herren in Schwarz musterten sie mit diesem Blick, den Lulu schon kannte. Einmal hinschauen und gleich wieder vergessen. Für solche Typen war sie als Frau quasi unsichtbar.
    »Ach, Sie sind die Fotografin?«, fragte einer der beiden und deutete auf die Kamera, die auf ihrer Brust baumelte, direkt neben dem Benzinfleck. »Wurde aber auch Zeit. Haben Sie das Briefing bekommen?«
    »Klar.« Lulu holte einen Belichtungsmesser aus ihrer Anglerweste. »Gut gelaunt, frisch, sexy.«
    »Was man von der
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