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Den ersten Stein

Den ersten Stein

Titel: Den ersten Stein
Autoren: Elliott Hall
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Grabeskirche. Sein geduldiges,
     blutiges Gesicht sah hinunter auf die Elitesoldaten, die entlang der Kirchenwände standen. Sie hielten die Gewehre in der
     Armbeuge und beobachteten alles durch ihre Wraparound-Sonnenbrillen. Das rote Kreuz auf ihren Schultern kennzeichnete sie
     nicht als Sanitäter, sondern als Wächter der heiligen Stätte.
    Der
Kreuzzug
hatte Briefe mit ausdrücklichen Drohungen getrennt abgelegt. Die Akten enthielten Unterlagen zu jedem einzelnen Schreiber
     und Informationen über seine Familie, wenn der zuständige Bearbeiter das für relevant befunden hatte. Die meisten Briefe konnte
     man ohne weiteres als leere Drohungen wütender und verängstigter Menschen abtun. Nur einer enthielt eine gefährliche Kombination
     aus Wut und Hellsichtigkeit:
    »Lieber Bruder Isaiah: Mit der Unterstützung von Leuten wie dir hat die Regierung mich zum Sterben in die Wüste geschickt.«
     Ich überprüfte die Handschrift, um sicherzugehen, dass es nicht meine eigene war. »Ich habe drei Jahre in der Siedlung Arkangel
     verbracht. Eigentlich sollte meine Dienstzeit nur ein Jahr betragen. Wir hatten ständig Schusswechsel mit Kindern. Eines Morgens   …« Jemand hatte den Rest des Satzes und die nächsten zwei Seiten geschwärzt. »Ich kann nicht schlafen. Ich sehe diesen Morgen
     vor mir, wann immer ich die Augen schließe. Du hast meine eigene Mutter gegen mich aufgehetzt. Sie ist dein größter Fan und
     versäumt nie eine Sendung. Als ich ins Heilige Land aufbrach, war sie schrecklich stolz, dass ich Gottes Willen erfülle. Ich
     habe versucht, ihr zu erklären, wie es war und was ich getan habe, aber sie hört mir nicht zu. Sie sagt mir einfach nur, ich
     solle beten. Deinetwegen habe ich gelernt, wie man Menschen tötet. Ich mache es gern mit einem Kaliber 30.06 aus der Ferne.
     Solltest du zusammen mit deinem fahrenden Zirkus jemals nach New York kommen, werde ich dir zeigen, was für ein gelehriger
     Schüler ich bin.«
    Der Name des Mannes war Jack Small, ein in Ehren entlassener Ex-Marine. Seine Dienstzeit in Israel hatte ihm einen Orden,
     eine Belobigung und eine posttraumatische Belastungsstörung eingetragen. Man konnte sich ungefähr denken, was für einen Vorfall
     Jack geschildert hatte, aber er musste schlimm gewesen sein, um zwei Seiten Schwärzung zu verdienen. Vielleicht handelte es
     sich um normale bürokratische Vorsicht, möglicherweise versuchte der
Kreuzzug
aber auch, etwas zu verbergen. Ich würde morgen dort vorbeigehen müssen, um es herauszufinden.
    Die Nachrichten endeten, ohne dass ein Wort über Bruder Isaiah gefallen wäre. Die nächste Sendung war eine Diskussions-Brüll-Orgie.
     Es ging um die Frage, ob Amerika Israeldabei helfen sollte, den dritten Tempel zu erbauen. Mit Helfen war gemeint, es statt der Israelis zu tun, da die von der Idee
     gar nicht begeistert wirkten. Der erste Schritt würde darin bestehen, den Felsendom zu zerstören, und Gott weiß, welche Hölle
     dadurch wieder losgelassen würde. Ich hatte Aufnahmen von israelischen Demonstrationen gegen unsere Anwesenheit und unsere
     Pläne gesehen – auf ausländischen Nachrichtenkanälen, die nicht so sehr verboten als in diesem Land offiziell nicht verfügbar
     waren. Weshalb die Hälfte der Bevölkerung heimlich Satellitenschüsseln aufstellte und sie tarnte wie die geheimen Antennen,
     die die Ostdeutschen einst errichtet hatten, um im Radio Freies Europa Rockmusik zu hören. Es war das Risiko eines teuren
     Bußgeldes wert, albernen Sendungen wie dieser hier zu entkommen, und die französischen Sender zeigten manchmal sogar nackte
     Brüste.
    Die Diskussion stand drei gegen eins, was vielleicht dem Anteil der Kirchengemeinden entsprach, die der Idee noch immer reserviert
     gegenüberstanden. Ich fragte mich, wie lange man die Debatte noch tolerieren würde, zumindest in der Öffentlichkeit. Ich schaltete
     den Fernseher aus und griff nach meinem Handy.
    »Felix«, sagte Benny. »Was kann ich für dich tun?«
    »Hast du die Tickets für das Spiel der New York Knickerbockers bekommen?«, fragte ich, was unsere kodierte Anfrage war, ob
     man sicher reden konnte.
    »Es ist keiner da«, sagte Benny. Wir zählten stumm bis drei und aktivierten dann die Verschlüsselung für die Telefonleitung.
    »Warum benutzen wir die Verschlüsselung nicht immer?«, fragte Benny.
    »Du weißt doch, eine Verschlüsselung zu verwenden, die keine Hintertür für polizeiliche Kontrollen offenlässt, ist illegal.«
    »Nicht,
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