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Den du nicht siehst

Den du nicht siehst

Titel: Den du nicht siehst
Autoren: Mari Jungstedt
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haben es mit einem Mörder zu tun und müssen uns darauf konzentrieren, ihn festzunehmen, sonst auf gar nichts. Das sollten Sie respektieren«, zischte er.
    Seine Stimme war messerscharf, und man konnte ihm deutlich ansehen, was er von Journalisten hielt, als er auf dem Absatz kehrtmachte und durch den Korridor davonhastete.
     
    Für Johan und Peter reichte Knutas’ Reaktion als Bestätigung vollkommen aus. Die Frage war nur, was sie veröffentlichen sollten.
    Als sie in das ehemalige Studio Gotland fuhren, um den Beitrag zu bearbeiten, rief Johan vom Taxi aus Max Grenfors an. Obwohl er Grenfors als leitenden Redakteur für einen Sklaventreiber hielt, hatte er doch große Achtung vor dessen journalistischer Erfahrung. Nach einer kurzen Diskussion beschlossen sie, aus Rücksicht auf die Angehörigen, das Detail mit der Unterhose noch nicht an die Öffentlichkeit zu bringen. Die Information, dass es sich bei der Mordwaffe aller Wahrscheinlichkeit nach um eine Axt handelte, wollten sie jedoch nicht zurückhalten.
     
    In den Spätnachrichten an diesem Abend konnte das Schwedische Fernsehen als erster Sender detaillierter über den Mord berichten. Die ersten Bilder der Reportage zeigten das Polizeigebäude, dann wurde eine Karte eingeblendet, auf der der Tatort gekennzeichnet war, schließlich erschien Johan auf dem Bildschirm:
    »Hier im Polizeipräsidium von Visby ist gerade eine Pressekonferenz zu Ende gegangen. Die Polizei bestätigt, dass eine Frau ermordet worden ist, will sich aber zu den Umständen, unter denen dieser Mord geschehen ist, noch nicht äußern. Aus sicherer Quelle haben die Regionalnachrichten heute Abend jedoch erfahren, dass es sich bei der Mordwaffe aller Wahrscheinlichkeit nach um eine Axt handelt, mit der mehrfach auf die Frau eingeschlagen worden ist. Es steht noch nicht fest, ob sie auch vergewaltigt worden ist, aber die Tote war nackt, als sie gefunden wurde. Ihre Kleider werden noch vermisst. Der Leichnam wird nach Solna in die Gerichtsmedizin gebracht werden. Obwohl die Umgebung des Tatorts den ganzen Nachmittag und Abend mit Hunden durchkämmt worden ist, fehlt der Polizei bislang vom Täter jede Spur.«
    Es folgte ein kurzes Interview mit einem blassen, verbissenen Knutas, schließlich wurde der Bericht mit den wenigen Fakten abgerundet, die über die Tote bisher bekannt waren.

 
     
     
     
    Die Polizeibeamten von Visby hatten einen langen Tag. Die helle Juninacht erleichterte die Arbeit unten am Strand. Sie hatten noch bis spät in den Abend hinein die Anwohner befragt. Alle, die am Vorabend bei Helena Hillerström zum Essen gewesen waren, waren vernommen worden, mit Ausnahme von Kristian Nordström, der nach Kopenhagen geflogen war, um seine Eltern zu besuchen. Die Polizei hatte Kontakt zu ihm aufgenommen; er wurde erst am Donnerstag in Visby zurückerwartet.
    Als die wichtigsten Vernehmungen beendet waren, ging es auf ein Uhr nachts zu. Am frühen Abend hatte Knutas seine Frau angerufen, um zu sagen, dass es spät werden würde. Wie immer zeigte sie Verständnis und fragte, ob sie mit Tee auf ihn warten solle. Doch er hatte abgelehnt. Er konnte nicht absehen, wann er kommen würde. Als er jetzt durch die Straßen von Visby wanderte, bereute er diese Entscheidung. Es hätte gut getan, sich eine Weile hinzusetzen und über die Eindrücke dieses Tages zu sprechen. Es tat ihm immer gut, mit seiner Frau Gedanken auszutauschen. Es geschah häufig, dass sie neue Blickwinkel eröffnete, da sie ja nicht direkt mit den Ermittlungsarbeiten zu tun hatte. Oft schon hatte sie ihn so dazu gebracht, in neuen Bahnen zu denken, und ihm damit bei der Lösung eines Falles geholfen. Knutas spürte Wärme in seinem Herzen. Er liebte sie über alles. Abgesehen von den Kindern natürlich. Ihren Zwillingen, Petra und Nils. Im Sommer würden sie ihren zwölften Geburtstag feiern. Noch immer teilten sie ein Zimmer. Im Herbst sollte endlich jedes Kind ein eigenes bekommen. Er baute das Arbeitszimmer gerade in ein Schlafzimmer um. Den Arbeitsplatz würden sie dann in einen Kellerraum verlegen. Sie benutzten ihn ja doch nur selten.
    Als Knutas zu Hause ankam, schliefen die Kinder. Sie atmeten tief und regelmäßig. Er öffnete die Tür zum Schlafzimmer einen Spalt. Seine Frau Line lag quer über dem Doppelbett und hatte die Arme unter dem Kopf verschränkt. Dass sie immer so viel Platz brauchte! Sie machte alles intensiv – schlafen, essen, arbeiten, lachen und lieben. Sie gab sich dem Leben wirklich hin.
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