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Den du nicht siehst

Den du nicht siehst

Titel: Den du nicht siehst
Autoren: Mari Jungstedt
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Abend bei Ihnen?«
    »Vor allem alte Freunde von Helena.« Bergdal zählte alle Gäste noch einmal auf. »Und dieser Kristian, auf den ich so wütend war. Helena kennt ihn schon sehr lange. Ich glaube, dass sie mal miteinander rumgemacht haben.«
    »Was heißt rumgemacht?«
    »Na ja, ich glaube, dass sie mal eine Affäre hatten. Helena hat das immer abgestritten, aber ich bin davon überzeugt.«
    »Es kann nicht die Eifersucht sein, die Ihnen da einen Streich spielt?«
    »Nein, das glaube ich nicht.«
    »Wie lange waren Sie mit Helena zusammen?«
    »Sechs Jahre.«
    »Das ist eine ziemlich lange Zeit. Wie alt sind Sie?«
    »Achtunddreißig.«
    »Wieso haben Sie nicht geheiratet oder Kinder bekommen?«
    »Ich wollte das schon lange. Helena konnte sich nicht entscheiden. Sie hat ihr Studium sehr spät aufgenommen und wollte erst beruflich weiterkommen, bevor wir eine Familie gründen. Aber heiraten wollten wir schon. Jedenfalls haben wir davon gesprochen.«
    »Haben Sie sich Helenas sicher gefühlt? Wegen ihrer Eifersucht, meine ich.«
    »Ja, eigentlich schon. Es wurde doch immer besser. Ich war schon lange nicht mehr so wütend gewesen. Aber gestern bin ich einfach ausgerastet.«
    »Wissen Sie, ob sie auf der Insel Feinde hatte? Oder gab es jemanden, der sie nicht leiden konnte?«
    »Nein, sie kam mit allen gut aus.«
    »Wissen Sie, ob sie jemals bedroht worden ist?«
    »Nein.«
    »Haben Sie noch andere gute Bekannte hier auf Gotland, abgesehen von denen, die auf der Party waren?«
    »Da gibt es nur noch einige Verwandte von Helena. Ihre Tante, die in Alva wohnt, und einige Vettern und Kusinen in Hemse … Meistens waren wir allein. Wir sind doch immer hergekommen, um abzuschalten … Und dem ganzen Stress zu Hause zu entgehen … Und dann ist das hier passiert.«
    Seine Stimme war kaum noch zu hören.
    Knutas sah ein, dass es keinen Zweck hatte, die Vernehmung fortzusetzen.

 
     
     
     
    Nachdem Anders Knutas, Leiter der Mordkommission von Visby, die Vernehmung Per Bergdals beendet hatte, ging er in sein Zimmer, um einige Minuten in Ruhe nachdenken zu können. Er ließ sich auf seinen alten, abgenutzten Schreibtischsessel aus Eichenholz fallen, der ihn durch sein gesamtes Berufsleben begleitet hatte. Die Rückenlehne war hoch, der Sitz aus weichem Leder. Knutas drehte sich langsam, und der Sessel schaukelte ein wenig, als er sich gegen die Rückenlehne zurücksinken ließ. Hier, in seinem alten Sessel, der sich im Laufe der Jahre seiner Gestalt angepasst zu haben schien, konnte er am besten denken.
    Anders Knutas nahm sich dafür immer Zeit. Diese Momente waren vor allem dann wichtig, wenn sich um ihn herum die dramatischen Ereignisse überstürzten. Wie jetzt. Seine langjährige Erfahrung bei der Kriminalpolizei hatte ihn gelehrt, zu Beginn einer Ermittlung jeden Eindruck auszuloten. Es war so leicht, im Eifer des Gefechts Dinge zu übersehen, die sich am Ende als wichtig oder gar entscheidend für die Aufklärung erweisen könnten. Er stopfte sich seine Pfeife.
    In Gedanken kehrte er zum Fundort zurück. Zu dem blutigen Leichnam. Der in den Mund gestopften Unterhose. Dem ermordeten Hund. Ob es sich um einen geplanten Mord handelte, wusste er noch nicht. Dass der Mörder von abgrundtiefem Hass angetrieben worden war, stand dagegen fest.
    Der Gerichtsmediziner war nachmittags aus Stockholm eingeflogen. Er hatte seine Arbeit bereits aufgenommen. Knutas beschloss, erst am nächsten Morgen zum Fundort zu fahren, denn dann würde es dort um einiges ruhiger sein.
    Jemand klopfte an die Tür. Karin Jacobsson schaute herein.
    »Jetzt sind alle da. Kommst du auch?«
    »Natürlich«, sagte Knutas und stand auf.
    In Visby gab es zwölf Kriminalbeamte. Im Moment waren die meisten in der Umgebung von Fröjel unterwegs, wo sie Zeugenaussagen aufnahmen oder Spuren am Fundort sicherten. Knutas, seine engsten Mitarbeiter, und Birger Smittenberg von der Staatsanwaltschaft wollten nun besprechen, welche Informationen sie an die Presse weitergeben würden und was bis auf weiteres geheim gehalten werden sollte. Sie nahmen um den abgenutzten Kiefernholztisch im Besprechungsraum gegenüber von Knutas’ Büro Platz. Der Raum hatte zum Gang hin Glaswände, sodass man für gewöhnlich sehen konnte, wer dort vorüberging. Aber im Moment waren die dünnen gelben Baumwollvorhänge zugezogen.
    Knutas ließ sich an der Längsseite nieder und blickte die anderen forschend an. Er war mit dieser Gruppe sehr zufrieden. Karin Jacobsson, seine
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