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Demudis

Demudis

Titel: Demudis
Autoren: Stefan Blankertz
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zornigen Erzbischof mit einigen Oboli beruhigen. Oboli halfen bei diesem alten Sack von Erzbischof immer, dachte Demudis belustigt. Wie konnte der Herr ihn nur so unglückselig lange am Leben erhalten, während er andere, würdigere Menschen viel früher zu sich befahl? Oder wenigstens hätte er ihm die Weisheit und die Milde des Alters geben sollen, wie Hechard, anstatt ihn mit Torheit zu schlagen! Der Grund für die ungewöhnliche Dauer von Erzbischof Heinrichs Leben hienieden konnte nur sein, dass Gott es so lange wie möglich herauszögern wollte, dessen Gesellschaft dulden zu müssen. Konnte er ihn nicht einfach zur Hölle schicken, auch wenn er Erzbischof war?, überlegte Demudis und grinste schuldbewusst in sich hinein.
    Schwester Godelivis war wild, wild wie ein Bursche, eine richtige Maennyn, wie man so sagte. Im großen Ganzen konnten die Bewohnerinnen des Hauses mit ihr auskommen und sie bemuttern, bis auf Schwester Hardrun, mit der es immer nichts als Streit gab. Schwester Hardrun achtete streng auf Gottesfürchtigkeit. Dieselbe ließ Schwester Godelivis bisweilen vermissen, wenn sie auch nicht, wie Schwester Angela, allen hinterherstieg, denen Glocken zwischen den Beinen läuteten.
    Der Atem von Schwester Godelivis ging stoßweise. »Was bist du doch unendlich schön, meine allersüßeste Jungfrau Maria!«, jauchzte sie und kuschelte sich eng an Demudis.
    Demudis streckte den Arm aus und umfasste Schwester Godelivis. Es war angenehm, den jungen Körper zu spüren. Üblicherweise gerieten die Schwestern nicht abends vor dem Schlafen in Verzückung, vielmehr geschah dies morgens beim Erwachen. Aber es kam auch eher selten vor, dass die Schwestern die Vereinigung mit der Mutter Maria ersehnten statt mit ihrem Bräutigam, dem Herrn. Nichts an Schwester Godelivis war gewöhnlich.
    Was bedeutete es wohl, fragte sich Demudis, dass sie selbst noch keine Erscheinung des Herrn oder der Jungfrau Maria gehabt hatte? Sie wusste, dass es nicht nur ihr, sondern auch Hechard bisweilen lästerlich anmutete, wenn die Schwestern den Herrn betrachteten, als breite er die beseligenden Arme für sie aus, um ihre Brautschaft zu empfangen, und senke sein Haupt, um ihnen den Hochzeitskuss zu geben, während er doch vom Menschen geschändet und leidend am Kreuze hing. Schwester Lora war einmal im Angesicht des Kreuzes so in Wallung geraten, dass sie sich, wie sie erzählte, ihrer Kleider vollständig entledigt und sich Ihm ganz hingegeben hatte. Demudis behielt ihre Einwände für sich. Immerhin waren es ihre Schwestern. Der Konvent war ihr Zuhause geworden in den beiden Jahren ihrer Witwenschaft. Jede musste selbst wissen, wie sie mit dem Herrn verkehren wollte. Es reichte, dass der Erzbischof es immer besser wusste und ständig neue Vorschriften erließ. Wie gut, dass die Beginen nicht dem Weltklerus unterstanden, sondern den Predigerbrüdern, die Hechard zu den ihren zählten, den Gelehrtesten und Gütigsten unter den Menschen.
    Ein leichtes Kribbeln verbreitete sich über ihren Körper, als sie an Hechard dachte. Er war kein Mann wie die anderen, die Weibern wie ihr Gewalt antaten und hinab in den Schlund der Hölle gehörten.
    Schwester Godelivis war, wie Demudis meinte, eingeschlafen, aber bewegte wohl unwillkürlich die Hand angenehm sanft über Demudis’ Tütelin, und bald war auch Demudis selbst mit einem seligen Seufzer entschlummert. Trotz des ohrenbetäubenden Rasseins aus Schwester Menthas Nase.
     
    *
     
    Köln, Barfüßerkloster, am Abend des 29.1.1327
     
    Nach der Vesper würde Hanß ein wenig allein sein können. Er liebte die Brüder, war aber doch froh, nun als Abt der Barfüßer ein eigenes Haus beanspruchen zu können, um für sich zu sein, wenn ihm danach war. Er würde Gott um Gnade für die Sünden seiner Mutter bitten, die er so sehr vermisste. Wenn ihn sein kaputtes Auge schmerzte, dachte er sogar bisweilen noch an Agnes. Würde der Herr diesen Stachel nie aus seinem Fleische entfernen? Gebenedeite Jungfrau, voll der Gnaden, betete er zu Maria, der Mutter Gottes, bitte lass mir deine keusche Liebe genug sein!
    Als die Brüder die eiskalte Kirche verließen und ins nicht weniger kalte Dormitorium strömten, um sich zur Ruhe zu begeben, und Hanß zum Abthaus abbog, gewahrte er zunächst nur undeutlich, dass sich jemand neben ihn gedrängt hatte. Er schaute auf. Es war ein gewaltiger Fettberg, Bruder Dirolf, einer seiner fähigsten Mitstreiter, wenn er ihm auch mitunter etwas engstirnig vorkam. Die
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