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Dem Winde versprochen

Dem Winde versprochen

Titel: Dem Winde versprochen
Autoren: Florencia Bonelli
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gehört mir. Ich will ein Einzelzimmer für sie, möglichst weit weg von der Küche.«
    »Gut«, erwiderte Diogo. »Wir müssen Papá Justicia holen. Servando spricht kein Wort Spanisch. Wir werden seine Hilfe brauchen.«
    »Tu, was du tun musst. Aber ich will, dass dieser Neger noch heute Nacht mit den Sklavinnen schläft. Mit Ausnahme der Neuen. Um die kümmere ich mich. Wenn Blackraven kommt, sollen sie alle schwanger sein. Ah«, sagte er und drehte sich um, »wie heißt die Neue eigentlich?«
    »Miora.«
    »Sorge dafür, dass sie gebadet wird und neue Kleider bekommt und dass die alten verbrannt werden. Dann schickst du sie zu mir ins Arbeitszimmer, damit sie mir den Mate zubereitet. Sie hat doch keine ansteckende Seuche, oder?«
    »Wann habe ich dir je einen mit einer Seuche gebracht?«
    »Stimmt. Du machst deine Arbeit gut.«
    Papá Justicia kam noch am selben Tag, kurz vor Einbruch der Dunkelheit. Melody empfing ihn mit der gewohnten Liebenswürdigkeit. Dann nahm sie seine Hände und warf ihm einen betrübten Blick zu.
    »Oh, Papá Justicia, das ist alles so traurig. Heute haben sie ein Mädchen und einen jungen Mann gekauft. Die Ärmste spricht nur Portugiesisch. Ihre Muttersprache hat sie schon vergessen. Und er … Er hat bis jetzt kein Wort gesagt. Don Diogo meint, er komme aus dem Senegal, aber du weißt ja, wie viele verschiedene Dialekte es gibt. Hast du das Öl mitgebracht, um das ich dich gebeten habe? Die Brandmarke ist noch nicht verheilt. Mein Gott, warum machen sie das immer noch, obwohl der König es verboten hat?«
    Melody meinte die unmenschliche Praxis, den Sklaven mit glühendem Eisen die Zeichen der Importgesellschaft und des Besitzers in die Haut zu brennen. Einige hatten mehrere Marken, sogar im Gesicht. Durch eine königliche Verordnung hatte König Karl III . 1783 diese Praxis verurteilt und verboten. Aber sie wurde dennoch weiter angewendet.
    Miora konnte nähen. Ihre frühere Herrin hatte ihr das Handwerk beigebracht. Bald stellte sich heraus, dass sich ihre Geschicklichkeit im Umgang mit der Nadel nicht auf das Flicken von Nähten beschränkte, sondern dass sie sehr gut schneidern konnte. Miora kümmerte sich um die Anproben der Damen und war Alcides zu Willen, der sie immer häufiger in sein Arbeitszimmer bestellte. Meistens musste sie ihm den Mate zubereiten
oder auch die Füße massieren, ihm das Haar schneiden oder ihn rasieren. Er behandelte sie reserviert, erhob aber nie die Stimme und wurde auch nie handgreiflich, er brachte ihr sogar ein paar spanische Worte bei, die sie sich schnell einprägte. »Schlaues Mädchen«, sagte er und tätschelte ihre Wange.
    Mit der Zeit verlor Miora die Angst vor ihm, die sie am ersten Tag empfunden hatte, als ihre Blicke sich trafen. Sie erinnerte sich nicht mehr an diesen Blick. Sie wollte ihn vergessen. Vielleicht war Alcides nicht der schlechte Mensch, den sie in ihm gesehen hatte. Bei Don Diogo musste sie vorsichtig sein, vor ihm hatte man sie gewarnt, und auch vor Cunegunda, einer verbitterten Person, die schwarze Magie betrieb. Am liebsten mochte sie Miss Melody, wie alle, bis auf Cunegunda, ihren Sohn Sabas und die schwarze Gabina, die glaubte, Don Diogo gehöre ihr, weil sie hin und wieder sein Bett wärmte.
    Miora hatte nie eine Weiße wie Miss Melody kennengelernt. Nicht einmal ihre ehemalige Herrin Doña Catarina hatte ihr so viel Liebe und Respekt entgegengebracht. Das war der Unterschied zu Miss Melody. Sie fand, dass Afrikaner, wie sie sie nannte – sie sprach von ihnen nie als Sklaven oder Neger –, Menschen waren. Miss Melody respektierte sie, weil sie sie für gleichwertig hielt.
    Fast zwei Monate nach ihrer Ankunft im Haus in der Calle Santiago ging Miora erschöpft in ihr kleines Zimmer. Sie hatte mitbekommen, dass die anderen Sklavinnen schlecht über sie redeten und sich über die Sonderbehandlung beklagten, die »die Neue« bekam. Keine der Sklavinnen, bis auf Cunegunda, hatte ein eigenes Zimmer. Einige mussten sich sogar den Strohsack teilen. Die Feindseligkeit ihrer Gefährtinnen machte ihr Sorgen.
    Sie zog sich aus, wusch sich und zog das Nachthemd an. Im Halbschlaf wurde sie durch ein ungewohntes Geräusch aufgeschreckt. Die Türangeln quietschten. Sie setzte sich im Bett auf.
Don Alcides betrat mit dem Kerzenleuchter in der Hand das Zimmer. Miora zuckte zusammen, denn im Schein des Kerzenlichts sah sie im Gesicht ihres Herrn den Blick, der ihr am ersten Tag solche Angst gemacht hatte. Ihr war klar, dass er
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