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Delia, die weisse Indianerin

Delia, die weisse Indianerin

Titel: Delia, die weisse Indianerin
Autoren: Marie Louise Fischer
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ekelhaften Wachtmeister Schmittke eben auch nicht leiden!“
    Der Professor wusste genau, dass über ihn gesprochen wurde. Er kannte ja seinen Namen, und er spürte auch, dass Sophie böse auf ihn war. Aber da er ein Mops und damit der geborene Feinschmecker war, lag ihm an der Gunst der Köchin sehr viel. Mit einem Satz war er auf ihrem Schoß, stemmte die Vorderpfoten gegen ihre Brust und fuhr ihr liebevoll mit der breiten, rosa Zunge über das Gesicht.
    „Da sieh mal einer an“, sagte Sophie, schon halb versöhnt. „Also klug ist er, der Professor! Er weiß genau, dass er Schelte verdient hat!“ Sie zauste den kleinen Kerl liebevoll an den Ohren. „Ja, prügeln müsste man dich, du Nichtsnutz! Aber wer kann dir schon böse sein!“
    „Es gibt Leute, die das können“, sagte Delia.
    „Ja, aber das sind auch nur Leute, keine Menschen!“ Sophie sah den Hut, den Delia immer noch in der Hand hielt. „Was ist denn mit dem schönen Chapeau passiert?“ Auch Sophie benutzte gern französische Wörter. „Kannst du denn nicht besser auf deine Sachen aufpassen?“ – Unwillkürlich fiel sie in das vertraute Du der ersten Kinderjahre.
    „Er ist hingefallen“, sagte Delia kleinlaut.
    „Ja, das sieht man. Mitten in den Schmutz! Gib her, ich werde ihn wieder in Ordnung bringen, damit die Mama sich nicht unnötig aufregen muss!“
    „O Sophie!“ rief Delia und gab ihr einen schmatzenden Kuss. „Du bist ein Engel!“
    Sophie schob den Hund von ihrem Schoß und stand auf.
    „Aber jetzt schnell ins Bett, Demoiselle! Lassen Sie sich nicht bei Mama und den Schwestern blicken! Wenn man mich fragt, werde ich sagen, dass Sie schon lange zu Hause waren und gleich ins Bett gegangen sind vor lauter schlechtem Gewissen ... Es ist eine Lüge, ich weiß, aber der Herrgott wird sie mir schon verzeihen! Ich tu es nicht Ihretwegen, Demoiselle, sondern nur, damit die Madame nicht noch mehr Kummer hat!“
    Delia war froh, so gut davongekommen zu sein. Auf Zehenspitzen schlich sie sich durch das dunkle Treppenhaus und in ihr Zimmer. Zehn Minuten später war sie ausgezogen und lag im Bett – Zähneputzen kannte man noch nicht in der guten alten Zeit, und das Waschen wurde auch nicht so wichtig genommen.
    Aber eines vergaß Delia dafür abends nie, nämlich zu beten. Sie betete für ihren fernen Vater, für ihre traurige Mutter, ja und auch für ihre Schwestern Anna und Agathe, die sie eigentlich gar nicht gut leiden konnte. Vor allem aber betete sie um die Kraft, endlich braver zu werden und der Mutter Freude zu machen.
    Nach dieser langen Aussprache mit dem himmlischen Vater schlief sie meistens ruhig und erleichtert ein.

So sehr sie sich auch bemühte – Delia fand keinen Schlaf, oder besser gesagt: Je mehr sie sich bemühte einzuschlafen, desto wacher wurde sie. Der Schlaf lässt sich eben nicht herbeizwingen. Wenn man mit sich und der Welt in Frieden ist, dann fallen einem die Augen ganz von selbst zu. Aber wenn man ein schlechtes Gewissen hat, wird das weichste Bett so ungemütlich wie ein Nagelbrett.
    Und Delia hatte ein schlechtes Gewissen; sie hatte an diesem Nachmittag allerhand angestellt. Das Schlimmste war, sie hatte sich mit einer Lüge – Sophies Lüge – der Verantwortung entzogen.
    Delia stellte sich ihre Mutter vor, wie sie jetzt bleich und traurig im Wohnzimmer saß und vielleicht noch gar nicht wusste, dass sie inzwischen längst heimgekommen war. Nein, das hielt sie nicht aus!
    Mit einem Satz war sie aus dem Bett und schlüpfte in ihre Pantoffeln. Der Mops war wach geworden, streckte sich gähnend.
    „Nein, du bleibst hier, Professor“, befahl sie energisch, als er ihr zur Tür folgen wollte.
    Der Mops gehorchte, und nicht einmal ungern. Er war durchaus der Meinung, dass er sich seinen Schlaf redlich verdient hatte.
    Delia zog lautlos die Tür hinter sich ins Schloss und huschte die Treppe hinunter. Die Wohnzimmertür war angelehnt, und Delia blieb draußen auf dem kalten Flur stehen. Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Es war doch nicht so einfach, einzutreten und zu rufen: „Hier bin ich, Mama! Bitte, sei mir nicht mehr böse!“
    Sie wollte gar nicht lauschen, aber die Stimmen von drinnen klangen so klar und deutlich, dass sie jedes Wort verstehen musste, ob sie wollte oder nicht. Durch den Türspalt konnte sie ihre Mutter in dem dunkelgrün bezogenen Backensessel sitzen sehen, schön und zart, mit ihrem blassen, traurigen Gesicht, einem Spitzenkragen um den schlanken Hals, einem Häubchen auf dem
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