Delia 2 - Delia und der Sohn des Haeuptlings
werde aussuchen, was wir brauchen.“
Sie ging rasch hinter die Theke, wählte zwanzig Gewehre — sie visierte durch jedes einzelne, ob es in Ordnung war, ehe sie es beiseite legte. Sie suchte etwa tausend Schuss Munition zusammen und einen kleinen Ballen hellen Tabak.
Der Einäugige begann zu fluchen und zu jammern. „Das ist Raub! Und Ihr, Bill, lasst es zu, dass diese roten Kröten mich ruinieren!“
Die weißen Männer, die vorhin noch über die Indianer gelacht hatten, lachten jetzt auf Kosten des Händlers. Nicht einer war unter ihnen, der sich durch ihn nicht schon übervorteilt gefühlt hatte.
„Sie haben keinen Grund zu klagen, Mister“, erklärte Delia kühl. „Sie bekommen einhundertundfünfzig tadellose Biberfelle. Ich wette, Sie machen noch ein gutes Geschäft bei diesem Tausch!“
Sie spannte ihren eigenen Bogen, während Akitu die Gewehre und die andere Ware nach draußen brachte, um sie auf die Pferde zu verladen.
Der blonde Hüne hielt sein Gewehr immer noch im Anschlag. „Na, mit dem leichten Bogen wirst du wohl kaum etwas ausrichten, Kleine“, sagte er belustigt. „Der taugt ja höchstens für die Krähenjagd!“
„Ich möchte niemandem raten, das zu glauben“, erwiderte Delia ernst. „Die Pfeile sind mit tödlichem Gift präpariert!“
„Im Ernst?“
Delia sah ihm offen in die Augen. „Ich lüge nicht!“
Sinoko und Perbuo hatten sich um die Geschehnisse nicht mehr weiter gekümmert. Aber jetzt, da der Händler ausgeschaltet war, benutzten sie die Gelegenheit, sich selbst aus der Flasche zu bedienen.
Delia ließ ihren Bogen für einen Augenblick sinken, ging auf die Theke zu und schnitt eine saftige Scheibe Schinken ab. „Für dich, Professor“, sagte sie und hielt sie dem Mops hin. „Du hast dich wieder einmal selbst übertroffen!“
Sie hatte es auf Englisch gesagt, und sie zuckte geradezu zusammen, als sie der blonde Mann plötzlich in Deutsch anredete: „Und wo bist du zu Hause, Mädchen?“
Delia öffnete den Mund, schon wollte sie antworten, aber dann presste sie ganz schnell die Lippen zusammen.
Der blonde Mann lachte. „Mir kannst du’s ruhig verraten, ich habe doch an deiner Aussprache gehört, dass du aus der alten Heimat bist. Ich auch. Mein Name ist Wilhelm Küfer. Bill der Trapper werde ich hier genannt!“
„Ich verstehe nichts“, sagte Delia auf Englisch.
Bill der Trapper ließ sich nicht beirren. „Komm, komm, Mädchen, mir kannst du nichts vormachen! Hast du Angst vor den Rothäuten? Die beiden da vorn sind so betrunken, die hören und sehen nichts …“
Delia sah den blonden Mann aus großen Augen an. Sie kämpfte gegen die Versuchung. Jetzt war die Gelegenheit da, auf die sie so lange gewartet hatte. Bill der Trapper würde ihr bestimmt helfen, wenn sie ihm ihr Schicksal anvertraute.
Andererseits: Akitu war ihr Blutsbruder. Sie konnte ihn doch nicht ausgerechnet in diesem Augenblick im Stich lassen. Wie sollte er allein mit zwei Packpferden voller Waffen zum Indianerdorf zurückkommen? In der Prärie wimmelte es von Gefahren. Ein Junge allein konnte sich da nicht durchschlagen, selbst wenn er mit giftigen Pfeilen ausgerüstet war. Jetzt pfiff er draußen wie ein Käuzchen — ihr verabredetes Zeichen, das sie auch auf der Jagd benutzten, wenn sie sich aus den Augen verloren hatten.
„Ich muss gehen“, sagte Delia nicht ohne Überwindung. „Haben Sie Dank für alles, Mister Bill … und good-bye!“
„Du bist von den Rothäuten entführt worden, nicht wahr?“ versuchte der Trapper es noch einmal, diesmal auf Englisch. Aber Delia ging auf diese Frage gar nicht ein, sah ihn nur mit großen Augen an.
„Wenn du einmal Rat und Hilfe brauchst“, sagte er, „dann frag nach Bill dem Trapper. Kennst du den grünen Fluss? Wo er in den Orio-See mündet, da ist mein Jagdrevier.“
Der Mops hätte seinen Schinken schon verschlungen und war zu Akitu hinausgelaufen.
„Bitte, decken Sie unseren Rückzug“, sagte Delia.
Dann eilte sie hinter dem Professor her ins Freie, sprang auf ihre Fuchsstute, hob den Mops hoch und, die Packpferde mit der kostbaren Ware zwischen sich, galoppierten Akitu und Delia, so schnell es ging, wieder auf die offene Prärie hinaus. Sie gönnten sich keine Pause, bis sie etwa eine Stunde weit von der Handelsstation entfernt waren. Dann sprang Akitu vom Pferd, erklomm einen der Hügel und hielt Ausschau, die Hand vor den scharfen Augen. Delia wartete unten voller Spannung.
„Werden wir verfolgt?“ fragte sie, als
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