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Deine Juliet

Deine Juliet

Titel: Deine Juliet
Autoren: Annie Mary Ann / Barrows Shaffer
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sie wollen eine Orange als Mittelpunkt – studieren sie deren Form dann direkt? Nein, tun sie nicht. Sie führen ihre Augen in die Irre und starren auf die Banane daneben oder gucken sich die Orange verkehrt herum an, durch die Beine. Sie sehen dieOrange plötzlich mit ganz anderen Augen. Das nennt sich «Perspektive gewinnen». Also werde ich auch versuchen, die Dinge mit anderen Augen zu sehen – nicht verkehrt herum durch die Beine hindurch, sondern indem ich nichts direkt oder geradewegs anstarre. Ich kann meine Augen heimlich wandern lassen, wenn ich die Lider ein bisschen senke. ÜBEN!!!
     
    Freitag
    Es funktioniert – nicht unverblümt zu starren funktioniert. Heute fuhr ich mit Dawsey, Juliet, Remy und Kit auf Dawseys Wagen zum Flugplatz, um den lieben Sidney abzuholen.
    Hier meine Beobachtungen: Juliet umarmte ihn, und er schwenkte sie rundherum, als wäre er ihr großer Bruder. Er freute sich, Remy kennenzulernen, und ich merkte, dass er sie aus den Augenwinkeln musterte, so wie ich. Dawsey schüttelte Sidney die Hand, kam aber nicht mit zu Juliet, wo es Apfelkuchen gab. Er war in der Mitte ein bisschen eingesunken, schmeckte aber sehr gut.
    Vor dem Schlafengehen musste ich Augentropfen nehmen – es ist anstrengend, den Blick ständig zur Seite wandern zu lassen. Außerdem tun mir die Lider weh, ich bin es nicht gewöhnt, sie dauernd halb geschlossen zu halten.
     
    Samstag
    Remy, Kit und Juliet gingen mit mir an den Strand, um Feuerholz für das Picknick am Abend zu sammeln. Amelia war auch draußen und genoss die Sonne. Sie wirkt ausgeruhter, und das freut mich. Dawsey, Sidney und Eli schleppten gemeinsam Ebens großen eisernen Kessel herbei. Dawsey ist nett und höflich zu Sidney, und Sidney ist überaus freundlich zu Dawsey, mustert ihn aber immer wieder durchdringend und fragend. Warum nur?
    Remy ließ das Holzsammeln bleiben und gesellte sich auf ein Schwätzchen zu Eben, und er tätschelte ihr die Schulter. Wieso?Eben war noch nie ein großer Tätschler. Dann unterhielten sie sich eine Weile – leider zu weit entfernt für meine Ohren.
    Als es Zeit wurde, zum Mittagessen heimzugehen, setzte Eli sich ab, um Strandgut zu sammeln. Juliet und Sidney nahmen Kit links und rechts bei der Hand, liefen mit ihr den Klippenpfad hinauf und spielten dabei «Engelchen, Engelchen   – FLIIIEEG!».
    Dawsey sah ihnen nach, folgte ihnen aber nicht. Nein, er ging zum Ufer und stand bloß da und sah aufs Wasser hinaus. Da ging mir plötzlich auf, dass Dawsey einsam ist. Es kann wohl sein, dass er schon immer ein Einzelgänger gewesen ist, aber bisher hat es ihm nichts ausgemacht, und jetzt schon. Warum jetzt?
     
    Samstagabend
    Ich habe beim Picknick etwas gesehen, etwas Bedeutsames – und wie die liebe Miss Marple muss ich daraufhin etwas unternehmen. Der Abend war frisch und der Himmel wechselhaft. Aber das verdarb uns nicht die Laune – wir mummelten uns in Pullover und Jacken ein, aßen Hummer und lachten über Booker. Er stand auf einem Felsblock und hielt eine feierliche Ansprache, wie dieser Römer, auf den er so versessen ist. Ich mache mir Sorgen um Booker, er muss unbedingt ein neues Buch lesen. Ich glaube, ich werde ihm Jane Austen leihen.
    Ich saß, hellwach und aufmerksam, mit Sidney, Kit, Juliet und Amelia am Feuer. Wir stocherten mit Stöcken darin herum, da gingen Dawsey und Remy zusammen zu Eben und seinem Hummertopf. Remy flüsterte Eben etwas zu, er lächelte und griff nach seinem großen Schöpflöffel und schlug damit an den Topf.
    «Alle mal herhören», rief Eben. «Ich habe euch etwas zu sagen.»
    Alle waren still, außer Juliet, die scharf einatmete, was mir nicht entging. Sie hielt die Luft an und wurde ganz starr, presstesogar die Kiefer zusammen. Was war nur mit ihr los? Nachdem ich selbst mal mit Blinddarmentzündung umgekippt bin, machte ich mir solche Sorgen um sie, dass ich Ebens Anfangsworte verpasste.
    «…   und darum ist dies heute Abend ein Abschiedsfest für Remy. Sie verlässt uns nächsten Dienstag und zieht nach Paris. Dort teilt sie sich mit Freunden eine Wohnung und geht bei dem berühmten Pariser Konditor Raoul Guillemaux in die Lehre. Sie hat versprochen, uns wieder besuchen zu kommen, und sie hat bei mir und Eli eine zweite Heimat gefunden, darum dürfen wir uns alle von Herzen mit ihr freuen.»
    Was brach da für ein Jubel los! Alle sprangen auf und umringten Remy, um ihr zu gratulieren. Alle außer Juliet – sie ließ mit einem lauten Zischen die Luft aus
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