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Deine Juliet

Deine Juliet

Titel: Deine Juliet
Autoren: Annie Mary Ann / Barrows Shaffer
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trat zurück und behielt mein Gesicht im Blick, während ich die Gegenstände in der Schachtel hin und her wandte und sie dann alle auf die Bettdecke legte. Es waren: ein winziges Babykissen mit Lochstickereimuster, ein kleiner Schnappschuss von Elizabeth beim Umgraben in ihrem Garten, wie sie lachend zu Dawsey hochsieht, ein leinenes Damentaschentuch, das schwach nach Jasmin roch, der Siegelring eines Mannes und ein kleines, in Leder gebundenes Buch mit Gedichten von Rilke und der Widmung:
Für Elizabeth, die Licht in das Dunkel bringt, Christian
.
    In dem Buch steckte ein vielfach zusammengefalteter Zettel. Kit nickte, also faltete ich ihn behutsam auseinander und las: «Amelia – gib ihr einen Kuss von mir, wenn sie aufwacht. Ich bin bis sechs wieder da. Elizabeth. PS: Sieh Dir ihre Füße an. Sind sie nicht wunderschön?»
    Darunter lag noch die Medaille von Kits Großvater aus dem Ersten Weltkrieg, die magische Brosche, die Elizabeth Eli angesteckt hatte, als er nach England gebracht wurde. Eli ist ein Goldschatz – er muss sie Kit gegeben haben.
    Sie zeigte mir ihre Schätze, Sophie – ihr Blick hing unverwandt an meinem Gesicht. Wir waren beide überaus feierlich gestimmt, und dieses eine Mal fing ich nicht an zu weinen, ich streckte nur die Arme aus. Sie schmiegte sich sogleich hinein und kuschelte sich zu mir unter die Decke – wo sie tief und fest einschlief. Im Gegensatz zu mir! Es war mir unmöglich. Ich war zu glücklich mit all den Plänen für unser restliches Leben.
    Mir liegt nichts daran, weiter in London zu leben – ich liebe Guernsey und möchte hierbleiben, auch wenn ich mit Elizabeths Buch fertig bin. Ich kann mir nicht vorstellen, Kit in London großzuziehen, wo sie ständig Schuhe tragen muss, wo man sie anhält zu gehen, statt zu rennen, und wo es keine Schweine zu besichtigen gibt. Kein Fischen mit Eben und Eli, keine Besuche bei Amelia, kein Anrühren von Zaubertränken mit Isola und,vor allem, keine Besuche mehr bei Dawsey, keine Ausflüge, keine ganzen Tage mit ihm.
    Ich stelle mir vor, wenn ich Kits Vormund bin, könnten wir weiterhin in Elizabeths Cottage wohnen und das Herrenhaus als Feriendomizil den reichen Müßiggängern vorbehalten. Von den unerhörten Gewinnen, die ich
Izzy
verdanke, könnte ich eine Wohnung kaufen, die Kit und mir als Unterkunft dient, wenn wir zu Besuch in London sind.
    Ihre Heimat ist hier, und sie könnte auch die meine werden. Schriftsteller sind auf Guernsey nicht verloren – sieh Dir Victor Hugo an. Das Einzige, was ich an London ernsthaft vermissen würde, sind Sidney und Susan, die Nähe zu Schottland, neue Theaterstücke und die Feinkostabteilung von Harrod’s.
    Bete, dass Mr.   Dilwyn Einsicht zeigt. Ich weiß, dass er darüber verfügt, ich weiß, dass er mich mag und weiß, wie gern Kit bei mir lebt und dass ich augenblicklich über ausreichende Mittel für uns beide verfüge – wer kann in diesen üppigen Zeiten schon Besseres von sich behaupten? Amelia meint, wenn er einer Adoption ohne den passenden Ehemann nicht zustimmt, wird er mich immerhin mit Freuden als Vormund einsetzen.
    Sidney kommt nächste Woche erneut nach Guernsey. Ich wünschte, Du kämst auch – Du fehlst mir.
     
    Liebste Grüße,
    Juliet

Juliet an Sidney
    8.   September 1946
    Lieber Sidney,
    Kit und ich haben heute draußen auf der Wiese gepicknickt und Dawsey zugesehen, wie er sich daranmachte, Elizabeths eingestürzte Steinmauer wieder zu errichten. Es war ein wunderbarer Vorwand, Dawsey auf die Finger zu schauen und herauszufinden, wie er die Dinge angeht. Er begutachtete jeden Stein, wog ihn in der Hand, sann nach und legte ihn auf die Mauer. Lächelte, wenn er dem entsprach, was er vor seinem inneren Auge sah. Nahm ihn wieder weg, wenn nicht, und suchte sich einen anderen Stein. Er wirkt ungeheuer beruhigend auf das Gemüt.
    Mit der Zeit gewöhnte er sich so an unsere bewundernden Blicke, dass er eine Einladung zum Mittagessen aussprach, was noch nie vorgekommen ist. Kit war bereits vergeben – an Amelia   –, doch ich sagte mit unschicklicher Eile zu und plapperte dann allerhand ungereimtes Zeug, ob es sich zieme, mit ihm allein zu sein. Wir waren beide bei meinem Eintreffen ein wenig befangen, aber er konnte zumindest das Kochen vorschützen, verzog sich in die Küche und wollte sich nicht helfen lassen. Ich nutzte die Gelegenheit, um seine Bücher zu inspizieren. Er hat nicht allzu viele, aber sein Geschmack ist erlesen – Dickens, Mark Twain, Balzac,
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