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Dein göttliches Herz versteinert (German Edition)

Dein göttliches Herz versteinert (German Edition)

Titel: Dein göttliches Herz versteinert (German Edition)
Autoren: Kelly Keaton
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Staubkörnchen von oben auf uns herunter. 1331 First Street erinnerte mich an eine Südstaatenschönheit, die früher einmal sehr reich gewesen, jetzt aber völlig pleite war und es sich selbst nicht eingestehen wollte.
    Mein Magen knurrte. Doch weil aus dem Wohnzimmer Stimmen drangen, ging ich zuerst dorthin.
    Dub hockte auf dem Fußboden und durchwühlte einen Haufen gestohlener Grabbeigaben, die er auf den Couchtisch gekippt hatte. Crank saß in einem der Sessel gegenüber der Couch, wie gewöhnlich mit Schiebermütze, Zöpfen und einem ölverschmiertem Overall.
    Sebastian, auf dem kleinen Zweiersofa, hatte sich mit den Unterarmen auf den Knien abgestützt. Er redete mit Dub, doch als ich hereinkam, verstummte er und hob den Kopf. Der Blick, der mich aus seinen grauen Augen traf, ließ meinen Magen sofort schwerelos werden. Sebastians Augen hatten die Farbe von Rauch und Silber. Seine blasse Haut, das rabenschwarze Haar und die von Natur aus dunkelroten Lippen in Kombination mit seinem rebellischen Charakter und der Seele eines Dichters zogen mich an wie ein dunkler Magnet.
    Crank hatte mir verraten, dass Sebastian erspüren konnte, was andere empfanden. Und wenn er mich ansah, fühlte es sich hundertprozentig so an, als könnte er durch die ganze Scheiße hindurchsehen und wüsste genau, wer ich war. Als ob er alle meine Geheimnisse, alle meine Ängste, Erwartungen, Träume und Vorstellungen kannte – alles, was andere nie über mich erfahren durften.
    Auf dem Parkett hinter mir hörte ich Schritte. Ich brach den Blickkontakt mit Sebastian, als Henri sich mit einem großen Edelstahltopf in den Händen an mir vorbeischob. Ich folgte ihm zum Couchtisch, wo er den Topf neben Dubs Beute abstellte. An seinem kleinen Finger baumelten mehrere Plastikschalen und in der Hand hielt er ein paar Silberlöffel.
    »Wie war die Presby?«, fragte Crank.
    Ich setzte meinen Rucksack ab und ließ mich auf das eine Ende der Couch fallen, während Henri am anderen Ende Platz nahm. »Anstrengend.«
    Crank schnaubte. »Und du wolltest uns überreden, auch hinzugehen. Verrückte Idee, Ari, verrückte Idee.«
    Ich konnte jetzt schlecht das Gegenteil behaupten. Die Presby war spießig, arrogant und eine Nummer zu groß für mich, daher konnte ich mir lebhaft vorstellen, wie es Crank und Dub auf der Schule ergehen würde. Sie mochten vielleicht nicht so gebildet sein wie die anderen dort, aber welcher zwölfjährige Sprössling der Novem konnte schon einen Motor reparieren, sich seinen Lebensunterhalt selbst verdienen und sich jederzeit und überall etwas zu essen besorgen?
    Mein Magen knurrte schon wieder.
    »Bitte.« Henri schob mir eine Schale mit roten Bohnen und Reis hin. »Bon appétit.«
    »Merci«, bedankte ich mich. Es war eines der wenigen Wörter auf Französisch, die ich kannte. Das Essen war heiß und scharf und schmeckte hervorragend. »Sind die Sachen da für Spits?«, fragte ich Dub nach ein paar Bissen und deutete auf den Haufen Grabbeigaben vor mir.
    »Ja«, antwortete er, während er sich seinen kurzen blonden Afro kratzte. Auf seiner Stirn bildete sich eine Falte, die sich tief in seine hellbraune Haut eingrub. »Nicht gerade der beste Fang. Ein paar von den Goldzähnen kann er vermutlich einschmelzen. Aber viel Schmuck ist nicht dabei … morgen früh werde ich wohl gleich wieder losziehen müssen.«
    Spits war jemand im Quarter, der Dub die Sachen abkaufte, die er auf den Friedhöfen fand. Er machte die verkäuflichen Teile sauber und verhökerte sie dann in seinem Antiquitätengeschäft an Touristen. Und die Touristen, die den Schmuck kauften und trugen, hatten keine Ahnung, dass er von Toten stammte.
    »Warum die Eile?«, erkundigte ich mich.
    Er sah mich mit seinen grasgrünen Augen an. »Mardi Gras. Die Touristen kommen in Scharen. Spits kauft ein wie wild. Die Touristen geben eine Menge Geld aus, also …« Er zog etwas aus der Tasche und warf es über den Tisch.
    Ein Stück Metall traf mich auf der Brust und landete in meinem Schoß. »Was ist das?«
    »Ich dachte, es würde dir gefallen.« Dub zuckte mit den Schultern und fuhr fort, die Sachen auf dem Tisch zu sortieren.
    Ich nahm den Ring mit zwei Fingern aus meinem Schoß.
    »Er ist mit einem Halbmond verziert«, erklärte Crank. »Wie dein Tattoo.«
    Ich berührte den kleinen schwarzen Halbmond, der auf meinen rechten Wangenknochen tätowiert war. Ich trug außerdem einen Halbmond aus Platin an einem schwarzen Band um den Hals. New Orleans war früher die
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