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Dein göttliches Herz versteinert (German Edition)

Dein göttliches Herz versteinert (German Edition)

Titel: Dein göttliches Herz versteinert (German Edition)
Autoren: Kelly Keaton
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nicht mehr verheimlichen, was ich war.
    Einmal hatte ich zu Violet gesagt, sie solle so bleiben, wie sie war.
    Das solltest du auch, hatte sie auf ihre eigene, einfühlsame Art geantwortet.
    Und doch wünschte ich es mir, ich wünschte es mir heiß und innig, akzeptiert zu werden, als normal angesehen zu werden. Meine ehemalige Betreuerin vom Jugendamt sagte immer, es läge daran, dass ich als Kind verlassen und von einer Pflegefamilie zur nächsten geschoben worden sei. Ich wusste, dass bei mir einiges nicht in Ordnung war. Ich wusste, dass ich Probleme hatte. Ich wusste sogar, was ich tun müsste, damit alles besser wurde, aber die Theorie in die Praxis umzusetzen und dieses Etwas in mir wieder zum Funktionieren zu bringen? Tja. Wie das ging, hatte ich noch nicht herausgefunden.
    Die Straßenbahn wurde langsamer. Ich zog die Kapuze meines Hoodies auf; nach dem Training war ich so verschwitzt gewesen, dass mir jetzt kalt wurde.
    Die Sonne stand tief am Horizont und tauchte die ganze Straße in ein diffuses goldenes Licht. Ich stieg aus der Straßenbahn und ging über die St. Charles, wobei mir auffiel, dass ein paar Häuser mehr in der Straße bewohnt waren. Sie waren sicher von den Novem restauriert und an Besucher des Mardi Gras, die immer noch in Scharen nach New 2 kamen, vermietet worden.
    Schließlich war gerade wieder die Zeit dafür da.
    Ansonsten war von den Novem noch nicht viel im GD zu sehen. Aber irgendwann würden sie auch hierherkommen und anfangen, Häuser zu restaurieren, was die Waisen und die Doués (wir Nicht-Novem mit speziellen Fähigkeiten) obdachlos machen würde.
    Meine Stiefel knirschten auf dem Schutt der zerbrochenen Platten des Bürgersteigs, als ich über die Washington Avenue ging. Wenn man die St. Charles Avenue verließ und eine der Seitenstraßen des Garden District betrat, fühlte man sich wie in einer anderen Welt, wie an einem wilden, verlassenen Ort voller Schatten, an dem riesige Häuser vor einem aufragten und Bäume und Kletterpflanzen die Sonne aussperrten.
    Die Gärten waren verwildert, ein Gewirr aus spanischem Moos und Kletterpflanzen, die prächtig gediehen und schon länger keine Heckenschere mehr gesehen hatten. Die aufgegebenen Herrenhäuser verfielen langsam, waren aber trotzdem noch elegant und imposant … Für mich war dies der schönste Ort der Welt.
    Auf beiden Seiten der Straße streckten sich alte Eichen ihre knorrigen Äste entgegen und schufen so einen dunklen, gespenstischen Tunnel. Golden glühende Sonnenstrahlen bahnten sich durch das dichte Blätterdach und machten aus der Washington Avenue einen Wald aus Spinnfäden.
    Ich ging auf einem gewundenen Pfad in der Mitte der Straße, wechselte von Licht in Schatten und wieder zurück, bis ich mein Ziel erreicht hatte: Lafayette Cemetery.
    Der Lafayette-Sumpffriedhof .
    Die Stadt der Toten.
    Das Land der Schlangen und anderen Ungeziefers.

Drei
    D er Geruch nach toten Blättern und feuchter Erde wurde so stark, dass ich die Atmosphäre des Verfalls in meiner Kehle spüren konnte.
    Vor mir ragte das gewaltige Bogentor auf. Wenn es nicht völlig von Kletterpflanzen überwuchert gewesen wäre, hätte ich darauf LAFAYETTE CEMETERY NO. 1 lesen können. Eine Hälfte des Tors stand einladend offen. Ich blieb auf der Straße stehen. Seit Violets Verschwinden war ich nicht mehr hier gewesen.
    Lange starrte ich auf das offene Tor, die Grabstätten dahinter und die eingestürzte Mauer, die den Friedhof früher einmal umgeben hatte. Einige Zeit nach den beiden Hurrikans – die Zwillinge wurden sie hier genannt – war ein hoher Eisenzaun um das Gelände herum errichtet worden, der den Schutt und das, was von der ursprünglichen Friedhofsmauer noch übrig war, von der Straße trennte.
    Ich war nicht sicher, ob der Zaun dazu dienen sollte, dass die Leute draußen oder irgendwelche anderen Kreaturen drinnen blieben.
    Ich kaute auf der Innenseite meiner Wange und versuchte, den nötigen Mut aufzubringen, um den Friedhof zu betreten, und gleichzeitig die Angst zu unterdrücken, die dieser Ort mir einjagte. Das, was hier geschehen war, war mir noch viel zu gut in Erinnerung. In schlechter Erinnerung. Trotzdem straffte ich die Schultern und ging durch das Tor, wobei ich mich unter den Kletterpflanzen ducken musste.
    Die Straße vor mir war früher einmal gepflastert gewesen, jetzt aber mit Betonbrocken, bemoosten Knochen und den herabgefallenen Blättern mehrerer Jahre übersät. Rechts und links davon standen Grabsteine und
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