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Deer Lake 02 - Engel der Schuld

Deer Lake 02 - Engel der Schuld

Titel: Deer Lake 02 - Engel der Schuld
Autoren: Tami Hoag
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hatte geholfen, den Fall zu lösen. Er hatte ihr Leben gerettet . . . Und ihr Herz gestohlen. Sie hatte es nicht zugeben wollen, aber es stimmte. Sie hatte es nicht wahrhaben wollen. Ihr Leben war wesentlich einfacher gewesen, bevor er sich hineingeschlichen hatte, mit seiner Stimme wie Rauch und diesen Augen, die sie durchschauten. Er hatte ihre Abwehr durchbrochen und sie berührt, etwas in ihr erweckt, das sie verdrängt hatte – Verlangen. Das Verlangen zu fühlen, das Verlangen, zu sehr zu lieben.
    Er war wegen des Falls gekommen, und der Fall war vorbei.
    »Verflucht sollst du sein, Brooks«, flüsterte sie in den leeren Raum hinein. »Was jetzt?«
    »Ich schlage ein saftiges Steak und eine lange, geruhsame Nacht im Bett vor«, sagte er und trat aus dem dunklen Flur in ihr Zimmer. »Gemeinsam. Schlafend.«
    Er sah fast so aus wie an jenem Abend, als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Dieses boshafte Piratengrinsen in einem Dreitagebart. Sein Mantel war offen, sie sah die Schlinge, die seinen rechten Arm hielt.
    Ellen machte ein böses Gesicht. »Stehen die Leute da draußen Schlange?«
    »Nein, Ma'am. Ich bin der letzte.«
    »Was machst du denn hier?« fragte sie besorgt. »Du solltest im Krankenhaus sein.«
    Er schüttelte den Kopf. »Dr. Baskir hat mich weggeschickt.«
    »Es fällt mir schwer, das zu glauben.«
    »Also gut«, gab er mit einem betretenen Grinsen zu. »Vielleicht habe ich ihn dazu überredet.«
    » Das glaube ich schon eher.«
    Er grinste wieder, als er um den Schreibtisch herumging, sich auf die Kante setzte und ihren Briefbeschwerer wie einen Baseball packte. »Mein Onkel Hooter hat immer gesagt, ich könnte mit meinem Charme einer Sonntagsschullehrerin den Rock vom Leibe reden.«
    »Ein nützliches Talent. Wen hast du mit diesem Charme betört, um hier reinzukommen?«
    »Meinen alten Freund Deputy Qualey. Hast du gewußt, daß er einmal einen Einbrecher verjagt hat, indem er ihm eine lebendige Schlange an den Kopf geworfen hat?«
    »Wo hatte er denn eine lebendige Schlange her?«
    »Keine Ahnung. Ich will es auch gar nicht wissen. Und auf keinen Fall will ich ein Buch darüber schreiben.«
    »Nein«, sagte Ellen. »Du hast ja nun weiß Gott genug Stoff zum Schreiben. Kaputte Seelen, Sex, Gewalt, Korruption. Das, was alle lieben.«
    »Es wird kein Buch geben«, verkündete Jay und beobachtete ihre Reaktion. Sie begegnete seinem Blick mit mißtrauischer Überraschung. »Ich habe irgendwie meine Objektivität verloren.«
    Und dafür Dinge gewonnen, von denen er sich immer noch nicht sicher war, ob er sie wollte – Mitgefühl, Edelmut, ein Gewissen. Sie fühlten sich an wie Medaillen, die man ihm nicht ans Hemd, sondern an die nackte Brust geheftet hatte.
    »Megan hat mir erzählt, wie du ihr geholfen hast, Jay«, sagte Ellen. »Danke.«
    »Verbreite das bloß nicht. Du würdest meinen Ruf als hinterhältiger Opportunist ruinieren.«
    »Einige Leute könnten von selbst drauf kommen, wenn über diesen Fall kein Bestseller erscheint.«
    »Dieses Risiko muß ich eingehen. Es liegt nicht daran, daß ich glaube, daß diese Geschichten zu erzählen keinen Wert hätte«, klärte er sie auf. »Ich werde sie trotzdem nicht erzählen.«
    »Du hast die weite Reise nach Minnesota gemacht, hast dir den Hintern abgefroren und bist fast umgebracht worden. Und alles umsonst?«
    »Das würde ich nicht sagen«, sagte er leise und kam näher.
    »Ganz im Gegenteil. Was ich von hier mitnehme, ist viel wertvoller als jede Story.«
    »Du reist ab?« platzte Ellen heraus und biß sich gleich darauf auf die Zunge. »Ich meine – na ja – , wo du doch jetzt nicht schreiben willst . . .«
    Er war wegen eines Buches gekommen. Das war alles. Er hatte sein Leben in Alabama. Sie hatte ihres hier. Ihre Wege hatten sich gekreuzt, und jetzt würden sie allein weiterziehen.
    Aber schon so bald?
    »Ich habe einen Sohn, den ich gern kennenlernen würde«, sagte Jay leise. »Ich habe acht Jahre seines Lebens verpaßt. Ich habe verdammtes Glück, daß ich ihn gefunden habe. Ich habe verdammtes Glück, daß ich die Wahl habe.«
    Ellen fand ein Lächeln für ihn. »Ich bin froh, daß du diese Wahl getroffen hast, Jay. Ich hoffe, es wird alles gut.«
    »Ja«, sagte er, und eine zerbrechliche Hoffnung wuchs in seinem Herzen. Es war so lange her, daß er etwas anderes als Zynismus dort gespürt hatte.
    »Danach«, sagte er und legte den Briefbeschwerer beiseite, »habe ich gedacht, versuche ich es mal mit einem
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