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Deer Lake 02 - Engel der Schuld

Deer Lake 02 - Engel der Schuld

Titel: Deer Lake 02 - Engel der Schuld
Autoren: Tami Hoag
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saß auf einem Hocker neben dem Bett, einen Block und einen Kassettenrecorder auf der Ablage zu ihrer Rechten. Sie hatte Megan O'Malley erst vor wenigen Tagen kennengelernt. Ihr Eindruck von dem Field Agent des Minnesota Bureau of Criminal Apprehension bestand aus einer Handvoll von Adjektiven: zäh, mutig, entschlossen; eine kleine Frau mit sprühenden grünen Augen, die von ihrem Beruf besessen war. Die erste Frau, die die männliche Phalanx von BCA Field Agents gesprengt hatte. Ihr erster Arbeitstag im Regionalbüro von Deer Lake war der Tag der Kirkwood-Entführung gewesen. Vor zwölf Tagen. Zwölf Tage, die die bis dahin unschuldige, stille ländliche Collegestadt in die Tiefen eines Alptraums gestürzt hatten.
    Ihre Bemühungen, den Fall zu klären, hatte Megan fast nicht überlebt. Sie war der Lösung des Rätsels zu nahe gekommen. Ihr verletztes rechtes Knie war unter den Laken angehoben. Ihre rechte Hand war eingegipst. Laut Aussage ihres Arztes war die Hand schwer zertrümmert, und er hatte große Zweifel, ob die »armen süßen kleinen Knochen« richtig heilen würden, selbst bei gewissenhafter Behandlung durch einen Spezialisten.
    Megans Überführung vom Gemeindekrankenhaus in Deer Lake ins Hennepin County Medical Center in Minneapolis war für Dienstag angesetzt, vorausgesetzt, das Wetter erlaubte es. Man hätte sie gern noch in der Nacht ihres Martyriums hingebracht, aber Minnesota war in den Klauen eines Januarsturms. Zwei Tage später begann man in Deer Lake gerade damit, sich aus über achtundzwanzig Zentimeter Neuschnee auszugraben.
    »Er hat gesagt, es wäre ein Spiel«, begann Megan von neuem.
    »Josh zu entführen. Mich zu entführen. Alle zum Narren zu halten. Wir haben euch die ganze Zeit an der Nase herumgeführt, sagte er . . . wir . . . immer wir . . ..«
    »Haben Sie zu irgendeinem Zeitpunkt eine andere Person im Raum gehört?«
    »Nein.« Sie versuchte zu schlucken, und ihr Gesicht spannte sich unter einer neuerlichen Woge von Schmerz.
    » Wir haben alle Z ü ge, alle Optionen einkalkuliert . . . Wir k ö nnen nicht verlieren. Verstehst du mich? Du kannst uns nicht besiegen. Wir sind sehr gut in diesem Spiel . . . Brillant und unbesiegbar. «
    Der achtjährige Josh Kirkwood war nach dem Eishockeytraining an einem ansonsten normalen Mittwoch abend vor der Gordie Knutson Memorial Ice Arena verschwunden. Greifbare Beweise waren nicht hinterlassen worden. Der einzige Zeuge war eine Frau, die zufällig eine halbe Straße weiter aus dem Fenster geschaut und nichts Beunruhigendes gesehen hatte: ein kleiner Junge, der vom Eishockeytraining abgeholt wird; keinerlei Anzeichen von Angst oder Gewalt. Die einzige Spur, die er hinterlassen hatte, war seine Sporttasche mit einer Notiz.
    ein Kind ist verschwunden
Unwissenheit ist nicht Unschuld, sondern S Ü NDE
    Ein Spiel. Und sie hatte man als Bauern auf dem Schachbrett benutzt. Bei dieser Vorstellung durchströmte Megan eine Flut sinnloser Emotionen – Wut, Empörung, ein ihr verhaßtes Gefühl von Verletzlichkeit. Die einzige Befriedigung war, daß sie ihm seinen kleinen Gnadenstoß verdorben hatte und Garrett Wright jetzt in einer Zelle im Stadtgefängnis von Deer Lake saß. Garrett Wright, Professor für Psychologie am Harris College. Der Mann, den die Medien als »Experten« herangezogen hatten, der versuchen sollte, die verschlungenen Gedankengänge des Gehirns zu erklären, das dieses Verbrechen begangen hatte. Der Nachbar der Kirkwoods. Ein angesehenes Mitglied der Ge meinde. Ein ehrenamtlicher Berater für jugendliche Straftäter. Ein über jeden Tadel erhabener Mann.
    Wright war zwar gefaßt, aber es gab immer noch keine Spur und keine Nachricht von Josh.
    »Sie trugen eine Augenbinde?«
    »Ja.«
    »Sie haben also Garrett Wright nicht wirklich gesehen.«
    »Ich habe seine Füße gesehen. Er hat diese Angewohnheit, auf den Fersen zu wippen. Ich habe es bemerkt, als ich ihm zum ersten Mal begegnet bin. Er hat es an diesem Abend gemacht. Ich konnte seine Stiefel sehen, wenn er dicht neben mir stand.«
    »Das ist nicht gerade ein Fingerabdruck.«
    Megan starrte die Staatsanwältin wütend an, ihr Jähzorn durchdrang den Nebel von Medikamenten und Schmerz. Gottverdammte Anwälte. Garrett Wright hatte sie betäubt, terrorisiert, mißbraucht, erniedrigt. Möglicherweise hatte er ihre Karriere beendet, die ihr Lebensinhalt war. Ein Jahrzehnt im Polizeidienst, ein Abschluß in Kriminologie, ein Zertifikat der FBI-Akademie – sie war ein verdammt
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