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Deer Lake 02 - Engel der Schuld

Deer Lake 02 - Engel der Schuld

Titel: Deer Lake 02 - Engel der Schuld
Autoren: Tami Hoag
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Hennepin County hatten ihren Enthusiasmus mit der wissenden Skepsis der Kriegsmüden registriert und Wetten über das Datum ihrer Kapitulation abgeschlossen. In diesen zehn Jahren hatte sich ihre Beharrlichkeit verstärkt, aber ihre Begeisterung war inzwischen ziemlich angerostet, von Zynismus zerfressen. Sie erinnerte sich noch gut an den Tag, an dem sie mit einem Ruck im Korridor des Gerichts von Hennepin County stehengeblieben war, voller Entsetzen vor der Erkenntnis, daß sie inzwischen so abgestumpft war, daß der Anblick von Opfern und Leichen und Kriminellen sie allmählich kalt ließ. Keine angenehme Offenbarung. Sie war nicht Anklägerin geworden, um immun gegen menschliches Leid zu werden. Sie war nicht in der Justiz geblieben, weil sie an einen Punkt kommen wollte, an dem Fälle nur noch Aktenzeichen und Grundlage für Verurteilungen waren. Sie war auf Grund von genetischen Anlagen, Einflüssen ihrer Umgebung und einem echten Verlangen, um Gerechtigkeit zu kämpfen, Anwältin geworden.
    Es schien ein Ausweg zu sein, aus der Stadt wegzugehen, irgendwohin, wo die Welt noch halbwegs in Ordnung war, wo Banden und Kapitalverbrechen Ausnahmen waren. An einen Ort, an dem sie das Gefühl haben konnte, etwas zu bewegen und nicht nur zu versuchen, einen gebrochenen Damm mit dem Daumen abzudichten.
    Deer Lake schien genau der richtige Ort dafür zu sein. Eine Stadt mit fünfzehntausend Einwohnern, nahe genug an Minneapolis, um nicht zu weit vom Schuß zu sein, und trotzdem weit genug weg von der Stadt, um den ländlichen Charakter zu bewahren. Das Harris College sorgte für einen Zustrom junger Leute und das Flair einer akademischen Gemeinde. Durch einen wachsenden Anteil von Pendlern in die Twin Cities gab es ein gesundes Steueraufkommen. Die Verbrechensrate war zwar im Steigen, beschränkte sich aber im allgemeinen auf geringfügige Delikte: Einbrüche, kleinere Drogendeals, Schlägereien von Arbeitern der Käsefabrik, die bei Baseballspielen zuviel tranken und sich hinterher an den Kragen gingen. Die Menschen hier konnte man noch schockieren. Und sie waren von Josh Kirkwoods Entführung bis ins Mark erschüttert worden. Ellen ging, die Aktentasche mit einer behandschuhten Hand umklammert, den Korridor des Gemeindekrankenhauses von Deer Lake hinunter, die flachen Absätze ihrer Lederstiefel klapperten auf dem harten polierten Boden. Der größte Teil der Aktivität in diesem Krankenhaus mit hundert Betten schien sich auf den Tresen in der Eingangshalle zu konzentrieren, der sowohl als Empfang als auch als Schwesternstation diente. Hier beschwerten sich Leute mit Termin über die lange Wartezeit, und Leute ohne Termin versuchten, sich kränker zu machen, als sie wirklich waren, in der Hoffnung, schneller an die Reihe zu kommen.
    Ein Häufchen Reporter, das am Rande des Stationsbereichs lauerte, wurde schlagartig munter, als Ellen auftauchte. Sie liefen auf sie zu, Bleistifte und Blöcke in Bereitschaft. Zwei Männer und vier Frauen eine Ansammlung teurer Wollmäntel und schäbiger Skianoraks, mit Haarspray gefestigter Frisuren und fettiger Pferdeschwänze. Ein Fotograf richtete die Kamera auf sie, und sie wandte sich ab, als der Blitz losging.
    »Miss North, können Sie uns etwas über den Zustand von Agent O'Malley sagen?«
    »Miss North, ist etwas Wahres an den Gerüchten, daß Garrett Wright Agent O'Malley sexuell mißbraucht hat?«
    Die zweite Frage wurde von Ellen mit einem erbosten Blick quittiert. »Ein derartiges Gerücht ist mir nicht bekannt«, sagte sie knapp, ohne stehenzubleiben.
    Der Schlüssel im Umgang mit Reportern im Blutrausch: in Bewegung bleiben. Wenn man stehenblieb, konnten sie einen einkreisen und verschlingen, und dann würde man sich, als Titel oder kurze Einblendung in den Zehn-Uhr-Nachrichten wiederfinden. Ellen wußte sehr wohl, daß sie sich nicht einfangen lassen durfte. Diese Lektion hatte sie auf brutale Art und Weise gelernt, als man sie als junge Assistentin gelegentlich den Medien zum Fraß vorgeworfen hatte.
    Das Ausbleiben einer saftigen Antwort schien die Gier der Reporter noch zu steigern. Zwei trippelten rückwärts vor ihr her. Der zu ihrer Rechten hüpfte seitwärts mit, bei jedem Schritt klickte das lose Ende eines dreckigen offenen Schuhbands gegen den Boden.
    »Wie hoch wird der Bezirksstaatsanwalt die Kaution festsetzen?«
    »Können Sie uns die einzelnen Anklagepunkte auflisten?«
    »Der Bezirksstaatsanwalt wird am späteren Nachmittag im Gericht eine Pressekonferenz
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