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Deer Lake 02 - Engel der Schuld

Deer Lake 02 - Engel der Schuld

Titel: Deer Lake 02 - Engel der Schuld
Autoren: Tami Hoag
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vorkommenden Kalkstein mit dorischen Säulen und griechischem Giebeldreieck an der Frontfassade. Es war Ende des 19 . Jahrhunderts entstanden, als Arbeitskraft billig war und Zeit kaum eine Rolle spielte. Innen protzte es mit gewaltig hohen Decken, die wahrscheinlich die Heizkosten ins Uferlose trieben, und üppigen Stuckverzierungen und Medaillons, die zweifellos nur durch Zuschüsse von Denkmalschützern erhalten werden konnten. Im zweiten Stock wurde gerade restauriert, das Gerüst klebte wie ein riesiges Spielzeug an der nordöstlichen Wand.
    Die Gerichtssäle im zweiten Stock wären ein würdiger Rahmen für Rechtsanwälte wie Henry Clay und Clarence Darrow gewesen. Der Richtertisch, die Geschworenen- und die Zuschauerbänke hatten einem mittleren Eichenwald das Leben gekostet. Das Parkett hatte unter den Füßen mehrerer Anwaltsgenerationen seine Farbe verloren.
    Gerichtsgebäude wie diese waren ihm sehr vertraut, obwohl er noch nie einen Fuß nach Deer Lake, Minnesota, gesetzt hatte. Und sobald seine Mission hier beendet war, würde er auch sicher nie wieder herkommen. Verdammt kalt hier.
    Man konnte getrost darauf wetten, daß im Gericht von Park County selten soviel Betrieb herrschte wie heute. In den Korridoren wimmelte es von Menschen, nicht von Angestellten, sondern von Reportern, Kameraleuten und Zeitungsfotografen, die vor einem von Mikrofonen strotzenden Podium um gute Plätze rangelten. Er beugte sich über das Geländer im ersten Stock und schaute durch die verspiegelten Gläser seiner Militärbrille.
    Die Entführung von Josh Kirkwood hatte nationales Interesse erregt. Die Verhaftung von Dr. Garrett Wright hatte die Fieberkurve noch weiter hochgetrieben. Alle großen Sender waren vertreten, sofort erkennbar durch ihre Korrespondenten. Die reißerischen Nachrichtenshows der Privatsender waren geschlossen angetreten, ihre Leute strichen umher wie Hyänen, die einen saftigen Happen von dem, was die großen Löwen übrigließen, erhaschen wollten. Die größte Mühe, einen guten Platz für ihre Kameras zu ergattern, hatten die örtlichen Reporter. Man hatte sie in den großen Teich geworfen, und es war offensichtlich, daß sie keine Lust verspürten, mit den großen Fischen um die Wette zu schwimmen, aber es blieb ihnen keine andere Wahl. Die Story war einfach zu groß, um Rücksicht auf kleinstädtische Empfindlichkeiten und Umgangsformen zu nehmen. Sie war so groß wie Amerika und so intim wie Familie.
    Guter Vergleich. Er merkte sich den Satz.
    Das Szenario unter ihm glich einem Filmset in Erwartung der Stars. Scheinwerfer, Kameras, Assistenten, Techniker, Maskenbildner, die den Glanz von Stirnen und Nasen puderten.
    »Die ganze Welt ist eine Bühne«, murmelte er zynisch grinsend, mit einer Stimme, die rauh war, von zu vielen Zigarren und zuwenig Schlaf in der Nacht zuvor. Der Preis für gute Kontakte. Er ölte die Räder mit gutem Whiskey und gewandter Konver sation, lockerem Lächeln und teuren Zigarren – und bekämpfte die Folgen am nächsten Morgen mit einer Handvoll Aspirin und Litern von starkem Kaffee.
    Er drehte sich langsam und warf einen unauffälligen Blick auf die Reporter, die zehn Meter weiter vor dem Büro des Staatsanwalts warteten. Keiner beachtete ihn. Er trug keinen Presseausweis, keiner hatte ihn nach seiner Legitimation gefragt. Er hätte irgend jemand sein können. Er hätte ein Scharfschütze sein können: An den Türen des Gerichtsgebäudes von Park County gab es keine Metalldetektoren. Ein weiteres Detail, das für die Zukunft gespeichert wurde. Alles konzentrierte sich hier nur noch auf diesen einen Fall. Selbst wenn Elvis hier die Böden gewischt hätte, keiner hätte ihn beachtet.
    Er betrachtete seine unauffällige Anwesenheit sowohl als potentiell nützlich als auch als persönlichen Segen. Er konnte ohne Ablenkungen leben, wenn er sich erst einmal Zugang zu jenem Bereich verschafft hatte, in den er vordringen wollte. Ein Insider. Mit Adlerperspektive. Eine Katze auf der Lauer. Einblick in das Innenleben eines kleinstädtischen Justizsystems, das sich einen großen Fall vornimmt. Die Tür zum Büro des Bezirksstaatsanwalts öffnete sich, und die Reporter begannen Fragen zu brüllen, ein Lärm wie von einer Hundemeute, die eine Spur aufnimmt. Er richtete sich vom Geländer auf und stützte sich gegen eine Marmorsäule, darauf bedacht, in ihrem Schatten zu bleiben; die Hände hatte er in den Taschen des schwarzen Parkas vergraben, den er gekauft hatte, nachdem er in
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