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Deer Lake 02 - Engel der Schuld

Deer Lake 02 - Engel der Schuld

Titel: Deer Lake 02 - Engel der Schuld
Autoren: Tami Hoag
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ausgeblutet war.
    Ein Mörder. Ein Mann, dessen Verstand und dessen Herz so finster wie das Blut gewesen waren, das jetzt die elfenbeinfarbenen Laken tränkte, auf denen er lag. Er hatte gefoltert, gequält, getötet und es ein Spiel genannt. Herzlos und grausam. Und noch nach seinem Tod ging es weiter. Er hatte einen anderen dazu getrieben zu töten, und dieser andere würde weitere Leben berühren, und die Auswirkungen würden immer größere Kreise ziehen.
    »Ich wollte immer Kinder haben«, sagte Karen und wiegte das Baby in ihren Armen. »Garrett und ich, wir konnten keine Kinder haben. Aber Paul und ich können. Wir können Lily haben.«
    Hannah stand vor der Frau, die irgendwann vor dem Morgengrauen in ihr Haus eingedrungen war. Karen. Die nichtssagende, harmlose Karen. Immer bereit zu helfen. Die rehäugige hübsche Karen. Die Geliebte ihres Mannes. Die Ehefrau des Mannes, der ihren Sohn entführt hatte.
    Hannah war aufgewacht vom Klang einer Stimme, die am Ende des Korridors leise sang. Eine Frauenstimme, die aus Lilys Zimmer kam. Verschlafen und verwirrt war sie aus dem Schlafsack gekrochen, in ihren Leggins und ihrem ausgeleierten Sweatshirt, Haarsträhnen hatten sich aus ihrem lockeren Zopf gelöst und hingen ihr in die Augen.
    Jetzt stand sie im Gang zwischen den Schlafzimmern, immer noch in der Hoffnung, daß es nur wieder einer jener seltsamen Alpträume war, die sie seit dem Beginn dieses Martyriums quälten. Doch sie träumte nicht. Karen Wright stand im Zimmer ihrer Tochter, mit Lily auf dem Arm und einer Pistole in der Hand.
    »Wie bist du hier reingekommen?« fragte Hannah.
    »Mit einem Schlüssel«, sagte Karen ganz sachlich, ohne Lily aus den Augen zu lassen. »Ich habe Doppel von jedem Schlüssel an Pauls Schlüsselbund.« Sie lächelte verträumt. »Und jetzt, wo Garrett nicht mehr zwischen uns steht, kann ich den Schlüssel zu Pauls Herzen haben.«
    Sie erhob sich aus dem Schaukelstuhl, die doppelte Last von Lily und der Pistole schien zu schwer für sie zu sein. »Du bist so süß, Lily«, säuselte sie. »Ich habe immer so getan, als wärst du mein Kind. Ich wollte, daß Garrett dich für mich holt, aber er nimmt nur kleine Jungen. So war es schon immer. Er hat Kinder gehaßt.«
    »Du kannst sie nicht haben«, sagte Hannah scharf.
    Karens Augen wurden schmal, ihr Mund verzog sich verbittert. »Du verdienst sie nicht. Ich schon. Ich gebe und gebe und kriege nie was zurück. Jetzt bin ich an der Reihe. Ich hab's Garrett gesagt. Er wollte nicht hören. Ich habe ihm gesagt, ich will Paul. Ich liebe Paul. Paul könnte mir ein Baby geben. Aber nein. Er mußte Paul die Schuld unterschieben. Er mußte ruinieren, was ich haben wollte. Er hat einen sehr großen Fehler gemacht.«
    Ihre Arme schlangen sich fester um das Baby. Lily wand sich und runzelte die Stirn. »Runter!«
    »Nein, nein, Schätzchen«, sagte Karen mit einem plötzlichen Lächeln und streichelte Lilys Wange mit dem Pistolenlauf. »Du wirst jetzt mein kleines Mädchen sein. Wir müssen fortgehen und ein neues Leben mit deinem Daddy anfangen. Wir werden eine glückliche Familie sein.«
    »Und was ist mit Garrett?« fragte Hannah und tastete sich langsam nach vorn, um die Tür zu blockieren. Sie würde den Teufel tun und diese Irre mit ihrer Tochter aus dem Haus lassen. Sie würde alles tun, was getan werden mußte. Sie hatte geschworen, ihre Kinder zu behüten. Sie würde nie wieder ein Opfer sein.
    Karens Augen schwammen in Tränen. »Garrett . . . wollte nicht hören. Er wollte mich nicht glücklich sein lassen.« Eine einzelne Träne rollte über ihre Wange. »Ich liebe Paul, und Garrett hat mich gezwungen, ihn zu verraten. Das hätte er nicht tun sollen.«
    Lily wand sich in ihrer Umklammerung, wehrte sich gegen den Arm, der ihre Taille gepackt hielt. »Lily runter!« forderte sie. Sie sah Hannah an. »Mama, runter!«
    Karen wurde ärgerlich, sie schüttelte das Baby. »Hör auf, Lily!« Sie drehte Lilys Kopf mit dem Pistolenlauf zu sich. »Ich bin jetzt deine Mami.«
    Josh stand hinter seiner Mutter und beobachtete die Szene. Keiner hatte ihn bemerkt. Keiner würde ihn bemerken. Er konnte wie ein Gespenst sein. Die Stille war in seinem Kopf, und er konnte sie so groß werden lassen, wie er selbst war, und sie wie einen weiten Mantel um sich legen. Er sah die Pistole. Er hörte die Worte. Karen würde Lily nehmen. Genau wie man den anderen Jungen genommen hatte. Der andere Kaputte war jetzt tot. Auch Josh war gewarnt worden.
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