Deborah Crombie - 03 Und Ruhe in Frieden 04 Kein Grund zur Trauer
entschuldigte sich nicht für seinen Ton. »Die hatten sich offensichtlich überhaupt nicht überlegt, was passieren würde oder wie lange es dauern würde, das Chaos wieder zu beseitigen.«
»Mr. Smith«, sagte Kincaid beschwichtigend, »es ist nicht meine Absicht, den Betrieb Ihrer Schleuse zu stören. Ich möchte Ihnen lediglich ein paar Fragen stellen -« Er hob eine Hand, als Smith den Mund öffnete - »Ja, ich weiß, Sie haben sie bereits beantwortet, aber ich würde alles lieber von Ihnen direkt hören und nicht aus zweiter Hand. Da passiert’s nämlich manchmal, daß was durcheinanderkommt.«
Smiths Gesicht wurde eine Spur freundlicher, und er trank einen Schluck aus seinem Becher. Die geballten Muskeln seines kräftigen Oberarms zeichneten sich unter dem Ärmel seines Hemdes ab. »Durcheinanderkommen ist noch gelinde ausgedrückt, wenn man nach diesen Eseln von gestern gehen kann.« Er sah Gemma an, die ihren Jackenkragen hochgeschlagen hatte und ihn unter dem Kinn zusammenhielt, und schien erst jetzt wahrzunehmen, daß sie fror. »Wir können ja reingehen, Miss, da ist es wärmer«, sagte er etwas weniger aggressiv.
Gemma lächelte ihm dankbar zu. »Danke. Ich hab mich offensichtlich nicht richtig angezogen.«
Smith wandte sich wieder Kincaid zu, als sie zum Haus gingen. »Wann machen die dieses blöde Band endlich wieder runter?«
»Da müssen Sie bei der Polizeidienststelle Thames Valley nachfragen. Aber wenn die Spurensicherung hier fertig ist, wird es sicher nicht mehr lang dauern.« Kincaid blieb stehen, als sie die Haustür erreichten, und betrachtete die Schleuse und den grasüberwachsenen Pfad, der auf der gegenüberliegenden Seite flußaufwärts führte. »Ich fürchte allerdings, sie werden nicht viel Glück gehabt haben.«
Der Boden in dem kleinen Hausflur war mit Sisal ausgelegt, auf dem mehrere Paar abgetragener Gummistiefel standen. An den Wänden hing Arbeitskleidung - Ölhautjacken und -hüte, leuchtendgelbe Regenmäntel und Seilrollen. Smith führte sie in ein Wohnzimmer, spartanisch eingerichtet, aber warm.
Gemma klappte ihren Jackenkragen herunter und zog ihren Block heraus. Smith stellte sich ans Fenster, den Blick auf den Fluß gerichtet.
»Erzählen Sie uns doch erst mal, wie Sie die Leiche gefunden haben, Mr. Smith.«
»Ich bin gleich nach Sonnenaufgang rausgegangen, genau wie immer. Erst trink ich eine Tasse Tee, dann schau ich nach, daß alles in Ordnung ist. An manchen Tagen geht’s schon früh los mit dem Verkehr, obwohl jetzt nicht mehr so oft wie im Sommer. Na ja, und oben wartete schon ein Boot, das durch die Schleuse wollte.«
»Können denn die Bootsführer die Schleuse nicht selbst betätigen?« fragte Gemma.
Er schüttelte den Kopf. »Eigentlich ist es ja ganz einfach, aber wenn man zu ungeduldig ist, um abzuwarten, bis die Kammer voll ist und sich wieder richtig leert, kann man da ganz schön Mist bauen.«
»Gut. Was passierte dann?« hakte Kincaid nach.
»Ich seh schon, daß Sie von Schleusen nicht viel Ahnung haben«, sagte Smith und sah sie mit einem Ausdruck des Mitleids an, als hätte er jemanden vor sich, der noch keine Schleife binden kann.
Kincaid verkniff es sich zu sagen, daß er in West Cheshire aufgewachsen war und eine ganze Menge von Schleusen verstand.
»Normalerweise ist die Kammer leer. Wenn ein Boot kommt, öffne ich zuerst die Schleusen im Oberhaupt, um die Kammer zu füllen. Na, und wie ich dann das obere Tor öffne, daß das Boot einfahren kann, taucht da plötzlich eine Leiche auf.« Smith trank einen Schluck aus seiner Tasse und fügte verächtlich hinzu: »Irgend so ein albernes Frauenzimmer auf dem Boot hat angefangen zu schreien wie am Spieß, so was haben Sie noch nie gehört. Ich bin sofort ins Haus gerannt und hab den Notruf angerufen, nur damit ich dieses Geschrei nicht weiter ertragen muß.« Smiths Augenwinkel kräuselten sich leicht, als lächelte er. »Die Leute vom Bergungstrupp haben den armen Kerl dann rausgefischt und versucht, ihn wiederzubeleben. Aber meiner Ansicht nach hätte jeder mit einem Funken Grips sofort sehen können, daß er schon seit Stunden tot war.«
»Wann haben Sie ihn erkannt?« fragte Gemma.
»Ich hab ihn nicht erkannt. Jedenfalls nicht die Leiche. Aber als sie ihm die Brieftasche rauszogen, hab ich sie mir angesehen, und der Name kam mir sofort bekannt vor. Ich hab dann nur noch einen Moment gebraucht, bis mir eingefallen ist,
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