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Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet

Titel: Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet
Autoren: Carol Kloeppel
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Anspruch verspielt, moralische Autorität für die freie Welt zu sein.
    Ich verfolgte ungläubig, welche Ausmaße die Meinungsverschiedenheiten über den Irakkrieg annahmen. Die Amerikaner waren beispielsweise über die ablehnende französische Haltung derart erbost, dass sie Pommes frites, die in Amerika French Fries – also französische Fritten – hießen, in Freedom Fries – Fritten der Freiheit – umbenannten. Feinkostläden nahmen französischen Käse aus den Regalen, Weinflaschen mit Bordeaux oder Burgunder wurden medienwirksam auf der Straße zerschmettert. Was Wochen zuvor noch als exquisiter Tropfen galt, floss in den Gully – was für eine Verschwendung!
    In meinen Augen war diese Form von Protest lächerlich, aber dennoch spürte ich eine heimliche Erleichterung. Ausamerikanischer Sicht war also nicht Deutschland der größte Buhmann, sondern Frankreich. Auch in meinem amerikanischen Bekanntenkreis gab es Einzelne, die entschlossen waren, Frankreich in Zukunft zu boykottieren, so groß war der Zorn.
    Allerdings gab es auch Deutsche, die mir aufgrund der aktuellen politischen Situation klipp und klar sagten, sie hätten erst mal keine Lust, in die USA zu reisen. Obwohl ich Verständnis für den Unmut über die amerikanische Regierung hatte, traf mich diese Ablehnung doch sehr.
    Unabhängig von der Haltung der deutschen Bundesregierung war ich gegen den Irakkrieg. Ich glaubte nicht an die Existenz der Massenvernichtungswaffen, genauso wenig wie an eine Verstrickung der Iraker in die Anschläge vom 11. September.
    Ich fürchtete vor allem die Gefahr eines Flächenbran-des, den keiner mehr kontrollieren kann. Abgesehen von den politischen Gründen, die gegen das militärische Vorgehen der US-Truppen sprachen, war für mich auch nicht hinnehmbar, dass der Krieg und die Zeit danach so viele Unschuldige das Leben kostete und so viele Familien zerstörte – irakische, amerikanische und vieler anderer Nationen. Ich fühlte mit jeder Mutter, die ihr Kind verlor, mit jedem Kind, dessen Vater oder Mutter starb.
    Peter erzählte mir nach seiner Rückkehr aus dem Irak von einer Familie, die er kurz vor Kriegsausbruch in ihrem Haus besucht hatte. Der Vater sagte: »Ich habe meinem Jungen einen Walkman gekauft. Wenn es zu Bombenangriffen kommt, kann er den Kopfhörer aufsetzen und Musik hören und braucht keine Angst zu haben.« Jeder, der selbst Kinder hat, konnte sich nur zu gut in den Vater hineinversetzen.
    Auch wenn ich den Irakkrieg nicht befürwortete, so störte mich doch das Bild vom schändlichen, kriegslüsternen amerikanischen Besatzer. Niemand möchte, dass seine Landsleuteauf diese Weise angesehen werden. Mag sein, dass all die jungen Soldaten und Soldatinnen angestachelt worden waren, aber sie betrachteten sich selbst gewiss nicht als Invasoren. Wenn man jemandem etwas vorwerfen kann, dann vor allem den Politikern, die für diesen Feldzug verantwortlich waren.
    In Gesprächen mit meinen amerikanischen und deutschen Freunden über den Irakkrieg lernte ich, mit wem ich offen reden konnte und bei wem ich mich besser bedeckt hielt. Manche Ansichten lösten ungläubiges Staunen bei mir aus und schienen auf falschen Eindrücken oder Emotionen zu beruhen. So erschrak ich geradezu über den Kommentar einer Landsmännin: »Gott ist auf unserer Seite.« War das nicht genau das Argument des Feindes, der damit seine irrationalen Taten rechtfertigte? Außerdem bin ich der Meinung, man sollte Gott aus der Sache heraushalten.
    Ein anderes Argument für den Krieg lautete, man müsse unbedingt die irakischen Massenvernichtungswaffen finden, bevor diese auf Europa oder die USA gerichtet werden. Schon die Waffeninspektoren hatten bei ihrer jahrelangen akribischen Suche nichts dergleichen entdeckt. Mich überraschte nur, dass das Chemiewaffen-Argument in der amerikanischen Bevölkerung so großen Anklang fand.
    Immer öfter fragte ich mich, ob mir etwas nach dem 11. September 2001 entgangen war, da ich ja seit vielen Jahren nicht mehr in Amerika lebte. Saß die Angst dort tie-fer, als ich aus der Ferne nachvollziehen konnte? Oder gab es doch mehr Menschen in den USA, die ähnlich dachten wie ich?
    Manche meiner amerikanischen Bekannten hielten mich sicherlich für unpatriotisch, weil ich den Irakkrieg ablehnte. Ich allerdings teilte ihre Auffassung nicht, denn ich liebe mein Land. Allerdings sah ich mit Sorge, welchen Weg es eingeschlagen hatte.
    Heute wird das Thema Irak in meinem amerikanischen Bekanntenkreis
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