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Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet

Titel: Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet
Autoren: Carol Kloeppel
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Gefeiert wird immer Ende Januar, wenn es so kalt ist, dass der Mississippi zufriert und die Autobesitzer ihre Fahrzeuge über Nacht an eine Steckdose anschließen, um die Batterie warm zu halten.
    Trotzdem gehen die Minnesotans in dieser Zeit gerne vor die Tür. Es gibt einen Wettlauf, den sogenannten Frozen- 5 -Kilometer-Run , Wettbewerbe, wer die schönsten Eis- oder Schneeskulpturen baut, ein Schlittenhunderennen mitten in der Stadt, eine gigantische Schneerutsche für die Kinder und an einem der Karnevalsabende einen Fackelzug mit rot verkleideten Vulkaniern, die jeden küssen, der nicht auf dem Bürgersteig festgefroren ist.
    Gerade wegen der erträglicheren Temperaturen ist es auf deutschen Weihnachtsmärkten kuscheliger als im Norden der USA. Auch die Auswahl an Essen ist größer. Für die Fleischesser gibt es Gegrilltes wie Brat- oder Currywurst. Für jene, die es lieber süß mögen, werden Waffeln mit Sahne oder Crêpes in verschiedenen Variationen angeboten. Mittlerweile bin ich geradezu süchtig nach Lebkuchen, dem klassischen deutschen Weihnachtsgebäck. Und selbst heute kann ich es nicht lassen, für meine Tochter auf dem Weihnachtsmarkt ein Lebkuchenherz zu kaufen und es ihr umzuhängen. Ohne Lebkuchenherz fehlt etwas an Weihnachten.
    Da fällt es mir schon leichter, um die Süßigkeitenstände einen Bogen zu machen, die den Geruch von Anis verströmen. Der ist nämlich so intensiv, dass man ihm kaum entgehen kann. Ich habe kein Problem damit, zwischendurchmal Anisbonbons zu schnuppern. Hauptsache, ich muss sie nicht essen.
    Die Deutschen veredeln ihr Weihnachtsgebäck oft mit Gewürzen. Das kommt bei vielen Amerikanern nicht so gut an. Auch ich musste mich langsam an diese gewürzten Kekse gewöhnen. Es ist halt alles Geschmacksache: Meine amerikanischen Lieblingskekse zum Beispiel heißen Haystacks , also Heuhaufen, und werden mit Chow Mein -Nudeln, Erdnüssen und geschmolzenen Schoko- und Butterscotch -Chips gemacht. Für Rice-Krispie-Balls braucht man dagegen Erdnussbutter, Kokosflocken, Puderzucker, Butter, Rice-Krispies und Schokolade. Wem das exotisch vorkommt, wird vielleicht verstehen, dass auch ich die klassischen Lebkuchen-Zutaten wie Hirschhornsalz, Rübensaft und Pottasche zunächst merkwürdig fand.
    Ausgerechnet von australischen Bekannten erfuhr ich von einem Weihnachtsmarkt der ganz besonderen Art. In Siegburg, das ungefähr eine halbe Stunde von Bonn entfernt liegt, gibt es im Dezember eine mittelalterliche Zeltstadt mit authentisch nachgebauten Marktständen. Dort wird allerlei Kunsthandwerk aus naturbelassenen Materialien zum Kauf angeboten, und man kann Handwerkern bei der Arbeit zusehen. Das Essen wird in essbarem Geschirr ausgegeben; Einweggeschirr aus Plastik sucht man hier vergebens. So bekommt man zum Beispiel Reis in einem Kohlblatt serviert, und Fleisch wird an Holzspießen verkauft. Glühwein trinkt man aus Steingutgefäßen.
    Peter und ich kauften bei unserem Besuch ein frisches Brot, das vor unseren Augen im Steinofen gebacken wurde. Anschließend schlug der Bäcker es in grobes Papier ein, das wie Baumrinde aussah, und der Brotlaib war noch so warm, dass man sich beim Tragen fast die Finger verbrannte.
    Da der Siegburger Weihnachtsmarkt auf elektrische Beleuchtung verzichtet, brennen abends überall Fackeln, Öllampen und Kerzen sowie ein großes Feuer, an dem sich die Besucher wärmen können, während sie die mittelalterlichen Vorstellungen auf der Bühne ansehen. Je nach Wind kann es zwar gefährlich werden, wenn Funken auf die Menschen oder die in der Nähe stehenden Zelte fliegen, aber das Risiko nimmt man in Kauf. Das Feuer erzeugt eine wunderbar romantische und einzigartige Atmosphäre, die ich nirgendwo sonst erlebt habe.
    Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, geht es in Amerika in der Vorweihnachtszeit viel hektischer zu. Zwar ist die Festbeleuchtung dort noch schöner und prunkvoller, aber die Tage spulen sich in einem viel schnelleren Tempo ab. Das macht es manchmal schwer, diese Zeit in Ruhe zu genießen.
    Außerdem wird man mit Werbung förmlich zugeschüttet und muss aufpassen, nicht in einen Kaufrausch zu verfallen. Alles ist extreme , ultimate , super und vor allem big . Man kann anscheinend nie genug Spielzeug oder Kleider oder Computerspiele besitzen. Ich weiß, die Werbeleute müssen auch von etwas leben, aber warum vergreifen sie sich ausgerechnet am Fest der Liebe? Kaum ist Halloween vorüber, beginnt die Dauerberieselung mit Weihnachtswerbung in
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