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Deadlock

Deadlock

Titel: Deadlock
Autoren: Sara Paretsky
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um an Land zu schwimmen. Ich blickte über die Schulter. Die Jacht setzte zu einem Wendemanöver an. Durch die Bullaugen an Steuerbord drang Feuerschein. Ein Suchscheinwerfer richtete sich auf das Wasser und hatte mich schnell erfasst. Ich bemühte mich, auf dem Rücken schwimmend, entspannt weiterzuatmen.
    Die Jacht kam immer näher. Grafalk stand mit einem Gewehr am Bug. Als die »Brynulf« beidrehte, atmete ich tief ein und tauchte unter dem Kiel durch. Beim Auftauchen verspürte ich einen Schlag im Gesicht. Eine Trosse, die normalerweise zum Festmachen der Jacht diente, hing im Wasser. Ich packte sie und ließ mich von der »Brynulf« mitziehen. Der Scheinwerfer suchte weiter die Wasseroberfläche ab und erfasste auch den Heckbereich; ich konnte Grafalks Gesicht erkennen und das Gewehr, das er auf mich gerichtet hatte. Ein greller Blitz zuckte auf - die Gasleitung in der Kombüse musste explodiert sein. Der Druck riss mir die Trosse aus der Hand; aber auch Grafalks Arm wurde hochgerissen: Die Kugel schlug neben mir ins Wasser. Gemächlich trieb die Jacht von mir weg. Als ein Lukendeckel aufsprang, war das Ruder im Nu von einem kleinen Feuerball umschlossen.
    Wrackteile schwammen an mir vorbei. Ich packte eine Spiere und hielt mich krampfhaft daran fest. Der Abstand zur »Brynulf« wurde immer größer. Sandy kämpfte mit den Segeln, musste jedoch kurz darauf kapitulieren. Die Jacht beschrieb einen kleinen Kreis, angetrieben von der Hitze in ihrem Innern. Sie war nicht mehr als fünfzehn Meter von mir entfernt.
    Grafalk tauchte neben Sandy auf. Er schien sich mit ihm zu streiten und ging auf ihn los. In dem flackernden Feuerschein rangen die beiden Männer miteinander, bis es Sandy gelang, sich aus seinem Griff zu winden und über Bord zu springen. Wutentbrannt drohte Grafalk mit den Fäusten hinter ihm her. Dann lief er mit dem Gewehr zum Heck. Als er mich erspähte, hob er die Waffe und zielte eine Ewigkeit. Ich war zu steif gefroren, um zu tauchen. Nur noch mechanisch bewegte ich die Beine auf und ab.
    Plötzlich warf er das Gewehr über Bord, hob grüßend den Arm und ging gemessenen Schrittes auf das in Flammen stehende Steuerruder zu. Eine neue Explosion ließ meine erstarrten Arme erzittern. Die Jacht begann zu sinken. Mir schien, Wotan sei gekommen, um den Wikinger auf dem brennenden Scheiterhaufen seines Schiffes wegzuholen. Während die »Brynulf« langsam unterging, riss ein Windstoß ein Stück aus einem brennenden Segel und trieb es über meinen Kopf hinweg. Das bedrohlich schwarze Wasser um mich herum leuchtete kurz geisterhaft auf - Wotan rief mich zu sich.
    Unbekannte Hände zogen mich aus dem Wasser; die Spiere schien mit meinen Fingern verwachsen. Ich stammelte etwas von Göttern und Scheiterhaufen. Die »Brynulf« war spurlos verschwunden.

29
    Der lange Abschied
    Wir saßen auf einer gefliesten Terrasse. Vor uns lag der Michigansee. Das Wasser - hellblau unter einem sanften Sommerhimmel - schlug leicht plätschernd an den Sandstrand. Eine grüne Markise schützte uns vor der Sonne. Der Maitag war leuchtend und klar, obwohl es im Schatten noch kühl war. Ich knöpfte meine grüne Wolljacke bis oben zu.
    Claire Grafalk warf einen prüfenden Blick auf den Servierwagen aus Messing und Teak. Ich sah eine Flasche Taittinger in einem silbernen Sektkühler, Lachs, ferner etwas, was aussah wie eine tranchierte und wieder zusammengesetzte Ente, und Salat.
    »Danke, Karen. Wir kommen schon zurecht.« Während das Dienstmädchen verschwand, zog Mrs Grafalk geschickt den Korken aus der Champagnerflasche und füllte ein tulpenförmiges Glas.
    »Ich selbst trinke ja nicht, aber ich biete sehr gern Champagner an. Hoffentlich schmeckt er Ihnen.«
    Ich fand ein paar anerkennende Worte. Nachdem sie sich Mineralwasser eingeschenkt hatte, reichte sie mir einen Teller aus hauchdünnem Porzellan mit ihren Initialen. Sie trug ein graues Hemdblusenkleid und eine schwere Perlenkette. Die hohen Backenknochen wurden durch ein dunkles Rot betont. Mit zur Seite geneigtem Kopf sah sie mich fragend an, wartete aber, bis ich mich bedient hatte. Ich nippte an dem Champagner und probierte die Ente. Beides war vorzüglich.
    »Also - Sie müssen mir berichten, was passiert ist. In den Zeitungen stand nur das Allernötigste. Was geschah mit Niels' Jacht?«
    »Durch einen Unglücksfall in der Kombüse wurde der Schiffsrumpf in Brand gesetzt.« Diese Antwort hatte ich auch der Polizei und Murray Ryerson gegeben, und ich hatte nicht
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