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Deadlock

Deadlock

Titel: Deadlock
Autoren: Sara Paretsky
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ich über den Berg sein, und im nächsten Jahr kann ich mit der Finanzierung von neuen Frachtern beginnen. Martin müsste bis dahin wohl von der Bildfläche verschwunden sein.«
    »Ich verstehe.« Mir fiel absolut nichts ein, womit ich ihn hätte aufhalten können. Es gab keinerlei Hinweise auf meine Ermittlungsergebnisse, und ich hatte niemandem gesagt, dass ich Beweismaterial in ein paar alten Ausgaben von »Fortune« versteckt hatte.
    Als könne er Gedanken lesen, fügte Grafalk hinzu: »Von Paige weiß ich, dass Sie im Besitz der Rechnungen sind, mit denen Champ Clayton unter Druck gesetzt hat. Sandy hat heute Früh bei Ihnen vorbeigeschaut, und diesmal sind ihm keine Halbwüchsigen mit Brotmessern in die Quere gekommen. Er musste die Wohnung ein bisschen auseinander nehmen, doch dann wurde er fündig. Schade, dass Sie nicht zu Hause waren. Wir haben uns schon überlegt, wo Sie gesteckt haben könnten.« Auf seinem Gesicht zeigte sich wieder unterdrückte Erregung. »Und jetzt sind Sie dran, meine Liebe. Kommen Sie mit.«
    Ich zog mein Messer aus der Tasche. Grafalk bedachte es mit einem nachsichtigen Lächeln. »Ersparen Sie sich unnötige Schwierigkeiten, Vic. Ich verspreche Ihnen, dass Sie tot sind, bevor wir Sie über Bord werfen - Sie werden nicht elendiglich ertrinken.«
    Mein Herz schlug schneller, aber meine Hände waren ruhig. Ich erinnerte mich an einen bestimmten Tag vor Jahren, als Champ und ich es in der South Side mit einer jugendlichen Terrorbande aufgenommen hatten. In seiner Erregung glich Grafalk diesen zwölfjährigen Punks.
    Er folgte mir um den Tisch. Als ich die Tür im Rücken hatte, drehte ich mich um und rannte durch die Diele zum Bug. Ich zerfetzte mit dem Messer meinen Blusenärmel und schnitt mich leicht in den Arm; ein roter Faden lief über meine Hand.
    Ich hatte einen Vorsprung, weil Grafalk damit gerechnet hatte, dass ich über die Treppe fliehen würde. Im Esszimmer zerschlug ich die Scheiben des Geschirrschranks, Glassplitter flogen durch die Luft, und durch das Schlingern der Jacht lösten sich Tassen und Untertassen aus ihren Halterungen und zerbrachen klirrend. Ich rannte zu den Gardinen und wischte das Blut daran ab. »Was machen Sie da?«, brüllte Grafalk mich an. »Ich lege eine Spur«, keuchte ich, während ich das Messer über den Mahagonitisch zog und mein Blut in die Kratzer rieb. Völlig versteinert sah Grafalk zu, wie ich blitzschnell ein Lederpolster aufschlitzte, den Geschirrschrank entriegelte und das restliche Wedgewood-Porzellan auf den Boden fegte. Als er aus seiner Erstarrung erwachte, rettete ich mich in die Kombüse.
    Der Gasherd brachte mich auf eine wahnwitzige Idee. Ich drehte den Hahn auf, und eine blaue Flamme schoss empor. Ich riss einen der Vorhänge herunter und warf ihn aufs Feuer. Er brannte lichterloh. Ihn wie eine Fackel schwenkend, steckte ich damit die übrigen Kombüsengardinen in Brand. Grafalk setzte zu einem Hechtsprung an. Ich konnte ihm gerade noch ausweichen, er stürzte schwer zu Boden. Ich lief ins Esszimmer zurück und zündete auch dort die Vorhänge an. Er hatte zum Feuerlöscher gegriffen und richtete ihn auf mich und dann auf die brennenden Gardinen. Der Schaum reizte die Lungen und brannte in den Augen. Die Arme zum Schutz vorm Gesicht, floh ich durch den Gang und die Treppe zum Deck hinauf. Er folgte mir dicht auf den Fersen. »Halt sie fest, Sandy!«, schrie er. »Halt sie fest!«
    Der Mann mit dem rotblonden Haar sah vom Ruder auf. Er versuchte mich zu packen, bekam aber nur meine Bluse zu fassen. Ich lief zum Heck. Inzwischen war es dunkel geworden; das Wasser war tiefschwarz. Von ferne blinkten die Positionslichter mehrerer Boote herüber, doch meine Hilferufe verhallten ungehört.
    Grafalk stürzte über das Deck auf mich zu. Er hielt den Feuerlöscher immer noch umklammert; sein Gesicht glich der Fratze eines Wahnsinnigen. Ich holte tief Luft und sprang über Bord.

28
    Wotans Abschied
    Das Wasser war eiskalt, aber es spülte wenigstens die Schaumspuren des Feuerlöschers von meinem brennenden Gesicht. Zunächst hielt ich mich prustend durch Wassertreten an der Oberfläche, bis mich bei dem Gedanken an die unendlichen Tiefen unter mir Panik überfiel und ich Wasser schluckte. Spuckend und keuchend zwang ich mich, tief durchzuatmen. Ich zog Joggingschuhe, Socken und Bluse aus. Die »Brynulf« hatte alle Segel gesetzt und entfernte sich rasch von mir.
    Mehr als zwanzig Minuten würde ich nicht durchhalten können - zu wenig,
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