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Dead Cat Bounce

Dead Cat Bounce

Titel: Dead Cat Bounce
Autoren: Nic Bennett
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immer zu Fuß?«, wollte Jonah dann wissen.
    »Ja«, brummte sein Vater.
    »Ist das nicht ein bisschen weit?«
    »Nein«, antwortete David kurz angebunden.
    »Oh, okay.« Jonah musste jetzt joggen, um mit seinem Vater mitzukommen. »Ähm, könntest du ein bisschen langsamer gehen?«, fügte er dann noch schüchtern hinzu.
    Abrupt blieb sein Vater stehen und sah auf ihn hinunter. Seine eisblauen Augen starrten Jonah an. »Wir sind spät dran. Deinetwegen. Du wolltest doch unbedingt mit mir zur Arbeit gehen, also richten wir uns nach meinem Tempo, nicht nach deinem. Verstehst du das?« Ohne auf eine Antwort zu warten, marschierte er weiter, den Blick starr geradeaus gerichtet.
    Jonah zuckte zusammen und fand sich damit ab, dass er neben seinem Vater herjoggen musste, von ihrem schmalen, dreistöckigen Reihenhaus den ganzen Weg an der Themse entlang bis zur Hammersmith Bridge und dann über den Fluss bis zur U-Bahn-Station. Das war kein guter Start, dachte er, während er sich umsah. So früh war er noch nie in London unterwegs gewesen. Die Sonne war gerade erst aufgegangen, doch es waren schon unzählige Autos und Motorräder auf den Straßen unterwegs. Jonah spürte den bitteren Geschmack der Abgase auf der Zunge, als sie an ihm vorbeifuhren. Er fühlte sich sehr erwachsen; zu dieser frühen Stunde waren außer ihm keine anderen Kinder auf den Beinen.
    An der U-Bahn-Station erwachte Jonahs Neugierde: Welche Linie würden sie nehmen? An welcher Station würden sie aussteigen? Wie lange würde die Fahrt dauern? Aber als er den Mund aufmachte und seinen Vater fragen wollte, überlegte er es sich anders, weil David in der Schlange vor dem Schalter, wo sie eine Fahrkarte für den Jungen kaufen wollten, schon wieder ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden tippte. Er versuchte es noch einmal, als sie sich in der U-Bahn hinsetzten, doch sein Vater versteckte seinen Kopf sofort hinter einer lachsfarbenen Zeitung. Auf der Titelseite stand groß Financial Times, und Jonah hatte Angst, nach Hause geschickt zu werden, wenn er ihn jetzt störte.
    Sein Vater sagte erst wieder etwas, als sie die U-Bahn-Station Cannon Street verließen und auf ein Café gegenüber der St. Paul’s Cathedral zugingen. »Ich kaufe mir jetzt einen Kaffee. Möchtest du auch etwas?«, fragte er, während er die Tür zu dem Geschäft aufstieß.
    »Ja. Ich nehme auch einen Kaffee.« Jonah war froh, dass David sein Schweigen gebrochen hatte. Er stellte sich hinter seinen Vater in die Schlange vor der Theke und wich Leuten aus, die sich mit heißen Getränken in der Hand an ihm vorbeidrückten.
    »Du trinkst doch gar keinen Kaffee.« Sein Dad sah ihn fragend an.
    »Doch. Wenn ich zur Arbeit gehe.« Jonah freute sich, dass auf seine Antwort eine Reaktion gekommen war.
    »Irgendwas Bestimmtes?«, fragte David, der seine Aufmerksamkeit auf die Frau vor ihnen richtete. Offenbar wusste sie noch nicht so richtig, was sie bestellen wollte. Er hob die Hand und es sah aus, als wollte er ihr auf den Rücken tippen und sich beschweren. Dann überlegte er es sich anders, begann aber vor lauter Ärger wieder mit dem Fuß zu wippen.
    Fast dreißig Sekunden später hörte Jonah, wie die Frau endlich etwas bestellte, das wie »Venti fettarm Caffè Misto sehr heiß« klang. Jonah hatte keinen blassen Schimmer, was das sein sollte. Die mit Kreide geschriebene Karte war ihm auch keine Hilfe. Konnte man das tatsächlich trinken? Plötzlich fiel ihm etwas ein. Er musste etwa fünf Jahre alt gewesen sein, doch er konnte sich noch ganz deutlich daran erinnern, wie sein Vater aus einer Kaffeetasse trank, Schaum auf der Oberlippe hatte und Grimassen schnitt, die ihn und Jonah zum Lachen brachten. Das war vermutlich das letzte Mal gewesen, dass er seinen Vater hatte lachen sehen.
    Einige Sekunden später trat die Frau, die endlich ihre Bestellung losgeworden war, zur Seite. Jetzt war David Lightbody an der Reihe.
    »Ich möchte einen mit Schaum, so wie du«, verkündete Jonah.
    David starrte Jonah mit hochgezogenen Augenbrauen an und wandte sich dann an das brünette Mädchen hinter der Theke. »Zwei Cappuccino, bitte.«
    »Cappuccino. Cappuccino«, murmelte Jonah, als sie darauf warteten, dass ihr Kaffee zubereitet wurde. Ihm gefiel, wie sich seine Lippen verformten, wenn er das Wort aussprach. »Ka-pu-tschiiinoo. Ka-pu-tschiii-noo. Ka-pu–«
    Er war mitten im Wort, als David ihm mit einem strafenden Blick einen Pappbecher in die Hand drückte und nach draußen zeigte. »Komm schon.
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