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Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)

Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)

Titel: Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)
Autoren: Yvonne Woon
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jeden Sommer mit Ihrer Mutter hierher nach Hause«, erzählte er und blickte aus dem Fenster hinaus auf den nassen, grünen Rasen. »Sie war ein wunderbares Mädchen.«
    »Es fühlt sich an, als ob alle um mich herum sterben«, murmelte ich.
    »Das passiert, wenn man älter wird.«
    »Aber ich bin nicht alt.«
    »Sie sind ein Wächter. Das war ich früher auch, wissen Sie, und schauen Sie sich an, was aus mir geworden ist.« Mit schmerzverzerrtem Gesicht lagerte er seine Knie um.»Für uns vergeht die Zeit anders. Das Leben, der Tod   – manchmal scheint alles nur ein Traum.«
    Seine Worte ließen mich erschauern. »Ein Traum?«
    Dustin nickte.
    Ich wollte ihm erzählen, was ich in meinem Traum gesehen hatte, ihn fragen, was das bedeutete. Er hätte mir versichern sollen, dass es nicht meine Schuld, dass es ein Zufall war. Aber ich schaffte es nicht. Was, wenn er es meinem Großvater sagte? Dann hätte ich nur noch mehr Probleme.
    Ich musterte seine fleischigen Hände, die von Altersflecken gesprenkelte Haut. »Sie waren ein Wächter?«
    »War ich.« Er beugte sich vor und nahm zwei Kekse vom Teller, von denen er mir einen anbot.
    Ich wandte den Blick ab. »Ich weiß nicht, wie ich’s anfangen soll.«
    Dustin runzelte die Stirn. »Was anfangen?«
    »Weiterzumachen.«
    »Und trotzdem werden Sie es tun, ganz gleich, ob Sie das wissen oder nicht«, sagte er. »Wir haben gar keine andere Wahl.«

Zweites Kapitel

Das Häuschen
     
     
    I ch erwachte in der Bibliothek, das Gesicht vergraben in Nietzsches
Jenseits von Gut und Böse
, aus dem Schlaf getrötet von einer Autohupe. Nach meinem Gespräch mit Dustin hatte ich jedes Zeitgefühl verloren, als hätten sich die letzten vierundzwanzig Stunden zu einem einzigen, unerträglich langen Augenblick ausgewalzt. Wie im Nebel war ich in die Bibliothek hinein- und wieder hinausgetigert, in der verzweifelten Hoffnung, dass sich die Nachricht von Miss LaBarges Tod als Albtraum entpuppen würde, aber es geschah einfach nicht. Das Siebzehn-Gänge-Frühstück, das Dustin mir bereitet hatte, war auf der Küchenanrichte stehen geblieben, bis es einer der Köche schließlich in den Mülleimer beförderte. Obwohl das Personal seinem gewöhnlichen Tagwerk nachging, schien das Herrenhaus durch den Tod von Miss LaBarge jetzt zugig und verwaist; als wären alle anderen mit ihr gestorben.
    Miss LaBarge war auf der Jagd nach einem Untoten verunglückt. Das hatte Dustin mir eingetrichtert, immer wieder. Aber je mehr ich darüber nachdachte, desto weniger Sinn ergab es. Warum war sie allein unterwegs gewesen, woich doch genau wusste, dass Wächter immer nur zu zweit arbeiteten? Und vor allem   – warum war sie überhaupt auf der Jagd gewesen? Dem spärlichen Wissen zufolge, das ich mir aus den Wächterlehrbüchern meiner Mutter angelesen hatte, spezialisierten sich alle Wächter früher oder später; sie verlegten sich aufs Begraben, auf die Forschung, aufs Richteramt, die Lehre, das Sargzimmern. Die Untoten wurden auf Befehl gejagt und aufgespürt; man zog nicht einfach los und begrub sie. Vor allem Lehrer wie Miss LaBarge nicht. Sie hatte ihr Leben völlig in den Dienst des friedlichen Miteinanders von Untoten und Wächtern gestellt, sie das Zusammenleben gelehrt. Warum also sollte sie mehrere Staaten durchqueren, um einen von ihnen zu jagen?
    »Warum?«, hatte ich Dustin immer wieder verzweifelt gefragt. Als ob ich ihre Fehler wieder rückgängig machen könnte, wenn ich nur die Antwort fände.
    Ich schob die Vorhänge beiseite und spähte aus dem Fenster. Es war ein klarer, blauer Tag, so hell, dass es mir in den Augen schmerzte. Am Ende der sichelförmigen Zufahrt parkte der Wagen meines Großvaters mit geöffneten Türen und Dustin plagte sich mit zwei Papierstapeln, dem Aktenkoffer und der Reisetasche.
    Ich trat gerade in den Flur, als mein Großvater ins Foyer hineingeprescht kam. Sein faltiges, sonnengegerbtes Gesicht erinnerte schwer an seine alte Lederaktentasche.
    »Hast du schon gehört, dass Miss LaBarge   –«, wollte ich gerade loslegen, aber mein Großvater unterbrach mich mit einer ungeduldigen Handbewegung.
    »Ich bin in Kenntnis über die Geschehnisse.« Er zog seinen Mantel aus und drapierte ihn über den Stapel, den Dustin auf seinen Armen balancierte.
    »Kann man schon sagen, wer   –«
    »Ich weiß nichts, Renée.« Er musterte mich und sein Gesicht wurde sanfter. »Es tut mir leid.« Er nahm den Hut ab und garnierte damit noch seinen Mantel. Dustin nickte
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