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Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)

Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)

Titel: Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)
Autoren: Yvonne Woon
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Schnee unter Füßen knirschen, ganz weit entfernt? Doch schon verstummte es. Ich fuhr mit der Hand übers Geländer und wartete, die Ohren gespitzt. Meine Augen schossen nach links, wo sich etwas zu regen schien, und dann nach rechts. Der Wind wirbelte an mir vorüber und plötzlich schien irgendetwas am Horizont zu flattern. Und da veränderte sich der Luftdruck, legte sich um mich wie ein Schraubstock.
    Ich spürte sie, bevor ich sie sah; ihr Name pfiff durchs Geäst: die Untoten. Ich hörte das Trippeln im Schnee, leise, wie Mottenflügel.
    Ich ging rückwärts die Stufen hinauf und zurück ins Haus Horaz, wo ich Noah am Arm packte. »Sie sind da«, sagte ich. »Sie kommen, um uns zu holen.«
    Aber als wir vor die Tür traten, wusste ich, dass es zu spät war. Sie rannten schon auf uns zu; ihre kleinen Körper rasten im willkürlichen Zickzackkurs durch den Park. Sie stolperten, sie rappelten sich wieder auf und jagten einander nach, sie gewannen Tempo wie bei der Entstehung einer Lawine, die einen Berg hinabpoltert. Die Lehrer mussten es auch gespürt haben, denn nun kamen sie allmählich aus den Gebäuden herausgetrottet, teils noch im Anzug, manche schon im Pyjama. Fassungslosigkeit entstellte ihre Gesichter, als sie sehen mussten, wie die Untoten den Campus überrollten.
    Ich griff nach Noahs Hand, um ihn in den Keller zu ziehen, doch er war schon nach draußen gerannt und stürmte schaufelschwingend auf das Liberum zu. »Noah, warte!«,kreischte ich, obwohl ich genau wusste, dass er mich nicht mehr hören würde. »Die Tunnel!«
    Die untoten Jungen kreisten ihn ein und ihre winzigen weißen Händchen grapschten nach seinem Gesicht. Ich schnappte mir Tasche und Schaufel und stürzte ihm nach. Als ich ihn endlich eingeholt hatte, hatte Noah sie schon auf den See geführt und hielt sie sich mit der Schaufel vom Leib, während er auf dem Eis herumschlitterte. Als ich seinen Namen rief, warf er ein Kind von seinem Rücken ab und drehte sich mir zu.
    Da geschah es.
    Er blinzelte, sein Blick traf meinen, und dann glitt ihm die Schaufel aus den Händen und stieß in das Eis zu seinen Füßen. Eine schartige Spalte tat sich splitternd auf, und bevor seine Lippen meinen Namen formen konnten, versank er.
    Der See verschluckte ihn und das Wasser spritzte auf, als er den Eisrand zu packen versuchte. Doch der bröckelte ihm unter den Fingern weg und er sank nur noch tiefer ein.
    Ich rang nach Luft, während die Untoten dem Schmatzen des Wassers folgten, das Noah nach unten zog, und auf nackten Füßen rutschten sie über den gefrorenen See, von allen Seiten auf das Eisloch zu. Gerade wollte ich mich auf sie stürzen, da stemmte sich unten eine Handfläche gegen das Eis, nur wenige Schritte vom Loch entfernt. Vor Schreck sprang ich rückwärts. Noah. Ich kroch darauf zu und begann, auf das Eis einzuschlagen, es aufzubrechen, aber selbst unter meiner scharfen Schaufel wollte es nicht bersten.
    »Noah?«, kreischte ich und hämmerte auf das Eis ein. »Noah?«
    Keuchend machte ich weiter, rammte das Schaufelblatt mit der Ferse ins Eis, aber es war sinnlos. Ohnmächtig musste ich ansehen, wie direkt unter mir Noahs Hand vom Eis glitt, sich immer weiter von mir entfernte und in den Tiefen versank.
    Ich machte keine Anstalten zu kämpfen, als sie auf mich zukamen. Durch die Dunkelheit hörte ich das Schnattern der Kinderstimmen. Zwei Händchen legten sich über meine Augen. Zwei weitere verschlossen mir die Ohren und eines den Mund. Immer mehr schlangen sich um meine Arme und Beine, bis ich im Schnee zusammenbrach. Ich schaffte es gerade noch, mir das Pflaster vom Rücken zu reißen und das Mal zwischen meinen Schultern zu berühren. »Dante«, flüsterte ich und der Schmerz strahlte mir durch sämtliche Nervenbahnen. »Verzeih.« Seine Stimme antwortete mir.
Ich komme zu dir.
    Der Mond war eine kleine, weiße Sichel am Nachthimmel, als sie mich in den Toten Wald schleiften. Die faulenden Baumstümpfe ragten wie Zahnstocher aus dem Schnee. Ich konnte das Gewicht des Todes unter uns fühlen, die leere Luft, bar jeden Lebens.
    Eine lange, hagere Gestalt kam durch den Schnee auf mich zu. Das Gesicht unter der Kapuze war nicht mehr als eine fahle Sichel. Ein Bruder. Er kauerte sich neben mich, zog mich am Arm empor und senkte sein Gesicht auf meines. Gleich würde er sie haben: meine Seele, meine Geheimnisse. Ich schloss die Augen. Ich roch seinen bitteren Atem. Ich presste die Lippen aufeinander und dachte an Dante. Stellte mir
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