Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)

Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)

Titel: Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)
Autoren: Yvonne Woon
Vom Netzwerk:
was ich dort sah. Ich sah nicht nur älter aus, sondern auch anders, unwirklich. Meine Augen waren dunkler und tiefer, meine Lippen leuchteten, mein Gesicht war kantiger, eindrucksvoll und irgendwie traurig. War das über Nacht geschehen oder hatte ich es bis eben einfach nicht bemerkt? Aus der Dusche waberte der Wasserdampf und beschlug den Spiegel.
Dante,
schrieb ich mit einem Finger aufs Glas. Ich verfolgte, wie der Dunst auf der Oberfläche immer dichter wurde, bis von meinem Gesicht nur noch sein Name zu erkennen war.
     
    Im Haus war es unnatürlich ruhig, als ich zum Frühstück die Treppe hinunterstieg.
    »Hallo?«, rief ich und fuhr mit beiden Händen das Geländer entlang. Im Esszimmer angekommen, fand ich es leer. Der Kronleuchter war entzündet, aber der Tisch völlig kahl. »Dustin?«, rief ich. Ich machte mich gerade auf den Weg durch den Flur, da vernahm ich aus der Küche ein gedämpftes Geräusch.
    Ich stieß die Türen auf. Aus der Ecke des Raums tönte eine kratzige Reporterstimme. »Diese erschütternde Tragödie hat viele hier schwer getroffen.«
    Neben der Speisekammer drängte sich das komplette Küchen- und Hauspersonal, darunter auch Dustin, der besonders düster dreinschaute. Vor ihnen war auf einem Hocker ein winziges Fernsehgerät aufgestellt. In die Kamera sprach ein Reporter im Anorak.
    »Heute Morgen hat ein Fischer einen weiblichen Leichnam entdeckt, der auf einer kleinen Insel im Eriesee angespült wurde. Die Frau ist identifiziert worden als Annette LaBarge aus Vermont, Philosophielehrerin am Gottfried-Institut,einer Privatschule in Maine. Ein enger Vertrauter berichtet, Annette LaBarge sei schon seit einer Woche abgängig gewesen.«
    Mir entfuhr ein entsetzter Laut, woraufhin sich das ganze Personal zu mir umdrehte.
    Betäubt blickte ich zu Dustin neben der Spüle, der zu erschüttert war, um sich zu rühren.
    »Das Opfer wurde am Strand gefunden. Ihr Mund war vollgestopft mit einer weißen Textilie, die die Behörden für Mull halten. Auch wenn die Todesursache noch unklar ist, deuten erste Polizeiberichte darauf hin, dass ihr Körper zahlreiche Blutergüsse und Kratzer aufwies, möglicherweise von Fingernägeln. Diese Berichte scheinen den Verdacht auf Fremdeinwirkung dringend nahezulegen.«
    Ungläubig starrte ich auf den Bildschirm. Hinter dem Reporter erblickte ich eine wohlvertraute Szenerie. Einen Felsenstrand, die Küstenwache, dichtes Buschwerk im Hintergrund. Seitlich, neben einer mit Absperrband markierten Zone, lag ein rotes Ruderboot.
    »Das ist unmöglich«, murmelte ich, aber in der Küche schien mich niemand zu hören.
    »Das Boot, das auf der Insel zurückblieb, stammt aus einem Verleih nur wenige Kilometer von hier entfernt. Der dortige Angestellte hat angegeben, dass Annette LaBarge allein gewesen war, als sie es letzten Freitag anmietete. Die Behörden sind sich noch im Unklaren, wieso die Frau zur Insel gerudert ist. Verdächtige wurden bis jetzt keine genannt.«
    Mull im Mund. Genauso waren meine Eltern gestorben, ihre Seelen ausgesaugt von den Untoten, denen sie auf der Spur gewesen waren. Das war das Gefährliche an denUntoten   – manche von ihnen raubten wahllos Seelen, um wenigstens kurz einmal das Leben zu spüren, ein schneller, flüchtiger Kick. Miss LaBarge war ebenso Wächter gewesen wie meine Eltern. War auch sie bei einem Wächterunfall zu Tode gekommen? War es das, was ich in meinem Traum gesehen hatte?
    »Bei der Insel, im Volksmund die Kleinschwesterinsel genannt, handelt es sich um ein winziges, unbewohntes Felseneiland, in dessen Umgebung in letzter Zeit eine erstaunliche Zahl unbekannter, auf dem Wasser treibender Objekte gesichtet worden sind. Handelt es sich um Seeungeheuer? Mythische Kreaturen? Oder gar etwas viel Schrecklicheres als die Monster aus der Regenbogenpresse?«
    Die Kamera vollzog einen wackeligen Schwenk zu einem Küstenstreifen, wo zwei uniformierte Männer eine schwere Tragbahre in ein Wasserpolizeiboot verluden. »Das kann sie nicht sein«, flüsterte ich und suchte fieberhaft den Bildschirm ab, um zu begreifen, was ich da sah. Wie sollte ich das zusammenbringen, diesen Körper auf der Bahre und Miss LaBarge? Die Frau, die English-Breakfast-Tee und Nietzsche liebte; die einzige Stimme der Vernunft, wenn für mich nichts mehr Sinn ergab, und die einzige Lehrerin des Gottfried, die mir eine Freundin gewesen war?
    »Das muss ein Irrtum sein«, sagte ich und wandte mich Dustin zu. »Ich meine, sind die sich überhaupt sicher,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher