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de profundis

de profundis

Titel: de profundis
Autoren: Viktor Jerofejew
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und!«
    »Was denn?«
    »Ich glaube Ihnen nicht.«
    »Das ist Ihr gutes Recht.«
    »Und wenn Sie doch die Wahrheit sagen?«
    »Denken Sie, was Sie wollen.«
    »Ich bezahle das Abendessen. Zeigen Sie es mir.«
    »Ich kann auch bezahlen. Ich bin nicht arm.«
    »Gehen wir auf die Toilette. Sie müssen es mir zeigen.«
    »Auf der Toilette zeige ich Ihnen überhaupt nichts.«
    »Und wieso haben Sie eine Männerstimme?«
    »Nicht nur meine Stimme, alles an mir ist männlich.«
    »Woher dann das Jungfernhäutchen?«
    »Das ist das Geheimnis des Kugelblitzes.«
    Bei diesen Worten zuckte die Fürstin zusammen.
    »Bei der Defloration«, flüsterte sie, »gehen manche Häutchen auseinander wie ein Vorhang. Und sie bluten auch gar nicht.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Gehen wir zu mir ins Hotel«, flüsterte Natalja Alexejewna mir leidenschaftlich zu. »Ich bin zwar nicht mehr taufrisch, eher schon eine alte Frau, aber dafür sehe ich noch ganz ordentlich aus! Ich habe eine hohe, weiche Brust«, sagte die Fürstin und lächelte das wollüstige, gierige Lächeln einer Frau mit großem Busen. »Ich bin mit den Romanows verwandt. Ich trage schöne japanische Unterwäsche. Ich benutze Parfüm. Ich möchte Sie fotografieren.«
    »Verwandt mit den Romanows?«
    »Ich betrüge niemals. Allerdings sitzen in meinem Vorzimmer Leute. Sie sind mit ihren Mädchen gekommen. Aber Sie werden mir helfen. Ich brauche Ihre Finger.«
    »Natalja Alexejewna, für Sie tue ich alles. Trinken wir noch einen Kaffee? Bezahlen Sie den Eltern der Mädchen was?«
    »Ich habe gestern schon Aufnahmen gemacht. In der Hauptsache röhrchenförmige, die sind auch recht verbreitet. Bei Slawinnen, Rumäninnen, Türkinnen und auch bei kleinen Flittchen. Ich bin Patriotin, aber was soll man machen? Es tut mir Leid, aber sie sind ausdruckslos. Doch ich liebe Fotzen. Das ist sogar eine noch tiefere Leidenschaft als die Fotografie. Das geht mir seit der Kindheit so. Aber im Vergleich zum Kugelblitz sind Fotzen nur Kleinkram. Welche Farbe hat Ihr Kugelblitz?«
    »Lassen Sie mich in Ruhe, Natalja Alexejewna. Sie haben sich das alles nur eingebildet.«
    »Ungeachtet Ihres Schwanzes, ungeachtet Ihrer ganzen Eier haben Sie einen Kugelblitz! Ich weiß es! Ich bin eine russische Aristokratin! Ich hab's: Er hat eine blau-grüne Farbe!«
    »Nehmen wir mal an. Aber manchmal ist er auch rot oder pampelmusenfarben, und nicht nur rund, sondern auch birnenförmig und sogar quallenartig.«
    »Pas vrai! Das ist eine äußerst rätselhafte Naturerscheinung. Der Kugelblitz geht durch Wände und Glas, fliegt gegen den Wind, kann durch den Schlag eines Hammers auf einen Nagelkopf entstehen, übt einen mystischen Einfluss auf Hochzeits- und Scheidungsdaten aus. Sie wollen unsere ganze Welt in Erstaunen versetzen und schockieren.«
    »Nichts dergleichen«, winkte ich ab.
    »Sie lassen keinen zu Forschungszwecken an sich ran. Wer sind Sie? Kind eines Quasiteilchens? Werden Sie von der Energie einer Funkwelle gespeist, wie der Wissenschaftler Kapiza meinte?«
    »Einmal bin ich in einer Maschine der Delta Airlines über den Atlantik geflogen. Draußen funkelten bereits die ersten Sterne. Eine knallgelbe Pampelmuse kam aus mir herausgeflogen und schwebte über dem Mittelgang. Markerschütternde Schreie erschallten. Die Kugel begann die Stewardessen, die gerade Getränke ausschenkten, sowie die Passagiere anzugreifen. Im geschlossenen Raum verhält sich der Kugelblitz wie ein Lebewesen mit Kleinkriminellenpsyche und Randalierermentalität. Die Leute warfen sich hin und her. Wie ein Schweißgerät verbrannte der Kugelblitz ihre Körper und zerriss Muskeln bis auf die Knochen. Allgemeine Panik brach aus. Eine Stewardess kam um. Eine andere bekleckerte sich mit Tomatensaft. Als das Flugzeug endgültig außer Kontrolle geriet, schickte ich die Kugel unbemerkt zurück.«
    Natalja Alexejewnas Lippen zuckten.
    »Aber Sie sind ja gelandet?«
    »Schade«, sagte ich mit einem Seufzen, »dass man Ihre Ausstellung verboten hat. Das russische Volk wird sterben, ohne je die Wahrheit über die Formenvielfalt von Jungfernhäutchen erfahren zu haben.«
    »Jungfernhäutchen!«, rief Natalja Alexejewna aus. »Meine einzige Tochter Anna ist vergewaltigt und umgebracht worden. In Schweden.«
    »Das kommt vor«, sagte ich.
    »Ein Feuerball …« Sie fuhr zusammen und berührte meine Hand. »Ein Wesen mit unbegreiflichem Verstand und einer Logik aus einer Parallelwelt.«
    »Manchmal liquidiere ich Mädchen, die
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