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Dave Duncan

Dave Duncan

Titel: Dave Duncan
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Jungfrau und der Drache < uns alle zu Tränen gerührt hat –«
    »Er sieht nicht sehr alt aus«, sagte sie schnell. »Nicht viel älter als ich.« Nun, nicht sehr viel.
    Kondoral schüttelte wieder den Kopf und schien zu zweifeln. »Ich kann mich erinnern, daß ich von ihm gehört habe, als ich selbst jung war, Herrin. Dieser hier muß dann ein Sohn sein oder ein Enkel?«
    »Vielleicht!« sagte sie und zog sich rasch zurück, bevor er anfangen konnte, sich in Erinnerungen zu ergehen.
    Mehrere Treppen später erreichte sie ihr Sommergemach, ganz oben in einem der kleineren Türme. Sie hatte es im Jahr zuvor bezogen und liebte es sehr, wenn es auch zu kalt war, um im Winter darin zu wohnen. Es war rund und hell und so niedrig, daß sich die hohe, konische Decke beinahe bis zum Boden hinunterzog. Es gab vier spitze Mansardenfenster, von denen aus sie über ganz Krasnegar blicken konnte. Sie legte ihr kostbares Paket Seide auf das Bett, zog ihre Reitkleidung aus und ließ sie auf den Teppich fallen.
    Im Norden lag das Wintermeer, das jetzt blau glitzerte und unter der Liebkosung des Sommers lächelte. Die Gischt brach sich gemächlich an den Riffen und zeigte kaum weiße Kronen, und die Seevögel stießen herab. Im Westen lagen die Türme und Höfe des Schlosses, die Dächer und Häuserreihen, ein Dickicht von schwarzen Mauern. Im Süden konnte sie die Stadt sehen, die steil zum Hafen hinabfiel. Dahinter lagen der Strand und die sanften, grasbewachsenen Hügel. Diese Hügel waren sicher Teil des Grundbesitzes ihres Vaters. Er beanspruchte auch das Heideland hinter dem Horizont, das sie aber nur selten gesehen hatte, wenn sie mit ihren Eltern auf Jagd gewesen war.
    Als sie sich bis auf ihre Unterwäsche entkleidet hatte, griff Inos nach der Seide und versuchte, sie genauso um sich herum zu drapieren, wie es Mistress Meolorne getan hatte. Das gelang ihr nicht besonders gut, trotzdem war die Wirkung sensationell.
    Nie zuvor hatte sie solch einen Stoff gesehen. Sie hatte nicht gewußt, daß es derart feine Fäden gab, so weich, so geschickt gewebt; und sie hatte auch nicht gewußt, daß man mit dem Webstuhl solche Bilder malen konnte. Gold und grün und kupfer – in ihrem Zimmer schienen die Farben noch intensiver zu leuchten als in dem dunklen kleinen Laden.
    Und es war soviel Stoff! Sie versuchte, eine Schleppe zu arrangieren und fiel dabei fast hin, so daß die goldenen Drachen sich wanden. Ursprünglich mußte der Stoff aus dem weit entfernten Guwush kommen, an den Ufern des Frühlingsmeeres, hatte Meolorne gesagt – in diesen Breiten eine echte Rarität. Sie hatte ihn vor vielen Jahren von einem Jotunn-Seemann gekauft, der ihn vermutlich durch Piraterie erbeutet hatte. Oder vielleicht war er über die großen Handelsrouten nach Krasnegar gelangt und war in irgendeiner unglücklichen Stadt von Plünderern erbeutet worden. Doch er war alt und prächtig und offensichtlich dazu bestimmt, die königliche Schönheit der Prinzessin Inosolan von Krasnegar zu unterstreichen.
    Dreieinhalb Imperial!
    Inos seufzte ihr Spiegelbild an. Sie mußte es schaffen, ihren Vater zu überzeugen. Selbstmord war die einzig mögliche Alternative.
    Aber warum hatte sie versprochen, das Geld noch am selben Tage zu schicken? Sie hätte sich selbst mehr Zeit lassen sollen, eine Strategie zu erarbeiten.
    Doch ein Kleid aus einer solchen Herrlichkeit würde nur bei besonderen Anlässen getragen und daher jahrelang halten. Sie wuchs nicht mehr, also würde sie auch nicht herauswachsen. Sie mußte noch ein wenig in andere Richtungen wachsen – sie hoffte doch sehr, daß das noch geschehen würde – aber das könnte durch einige diskrete Polsterungen behoben werden, die man heraustrennen könnte, wenn sie nicht mehr benötigt wurden. Sie fragte sich, wie viele Polster Tante Kade erlauben würde.
    Nun, es würde sie nicht weiterbringen, vor dem Spiegel zu stehen. Sie mußte mit ihrem Vater sprechen. Sie begann, die Seide wieder zu falten, während sie sich überlegte, was sie zu dem Gespräch anziehen sollte. Vielleicht ihr unmodernes, braunes Wollkleid, schon viel zu klein und geflickt. Das wäre genau das Richtige.

3
    Es dauerte einige Zeit, bis Inos ihren Vater ausfindig gemacht hatte, aber schließlich wurde ihr mitgeteilt, er sei im königlichen Schlafzimmer, was für diese Zeit des Tages erstaunlich war. Und das hieß noch mehr Stufen, aber jeder Ort in Krasnegar bedeutete noch mehr Stufen.
    Das königliche Gemach befand sich ganz oben im
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