Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dave Duncan

Dave Duncan

Titel: Dave Duncan
Autoren:
Vom Netzwerk:
großen Turm, genannt Inissos Turm, und Inos stieg die Wendeltreppe hinauf, die sich an der Innenseite der Mauern nach oben schlängelte. Es gab viel zu viele Etagen – Thronzimmer, Besuchszimmer, Gewandzimmer, Wartezimmer… Als sie im Salon stehenblieb, um zu Atem zu kommen, fragte sich Inos nicht zum ersten Mal, warum im Namen der Götter ihr Vater nicht ein Quartier bezog, das bequemer zu erreichen war.
    Dennoch war der Salon ihr Lieblingszimmer. Als Tante Kade zwei Jahre zuvor aus Kinvale zurückgekehrt war, hatte sie ein ganzes Zimmer voller Möbel gekauft – keine schweren, antiken Möbel, wie sie den Großteil des Schlosses verstopften, sondern überaus elegante Stücke aus glänzendem Rosenholz, mit unglaublich schlanken Beinen, und Kissen, die mit Rosen und Schmetterlingen bestickt waren. In ganz Krasnegar gab es keinen anmutigeren Raum. Selbst die Teppiche waren es keinen anmutigeren Raum. Selbst die Teppiche waren Kunstwerke. Wenngleich Inos gegenüber dem Andenken an ihre Mutter niemals so illoyal sein würde und zugeben, daß sie den Salon so liebte, wie Tante Kade ihn neugestaltet hatte.
    Als sie sich erholt hatte, durchquerte sie den Salon, stieg weitere Stufen nach oben, durchquerte das Ankleidezimmer, das vor kurzem noch ihr Zimmer gewesen war, und erklomm schließlich – langsamer als noch zu Anfang ihres Weges – die letzte Treppe zur Tür ihres Vaters.
    Sie stand angelehnt, also trat Inos ein.
    Mit sehr gemischten Gefühlen ließ sie den Blick über die plumpen, massiven Möbel schweifen. Sie kam jetzt selten hierher, und zum ersten Mal sah sie, wie schäbig die Möbel waren, das Staatsgeschirr eines alternden Witwers, der sich an alten Dingen festhielt, an die er gewöhnt war, ohne ihren Zustand zu beachten. Das Purpur war verschossen, das Gold angelaufen, Farben und Stoffe schienen stumpf und traurig. Die Vorhänge waren fadenscheinig, die Teppiche eine Beleidigung. Das Porträt ihrer Mutter hing noch über dem Kamin, doch war es von Rauch und Qualm verdunkelt.
    Viele, viele eisige Morgen hatte sich Inos in jenem riesigen Bett zwischen ihre Eltern gekuschelt, unter die aufgeschichteten Winterpelze, und doch wurden diese Erinnerungen jetzt von einem letzten Bild ihrer Mutter überschattet, die vom Fieber geschüttelt wurde, als die große Krankheit mit dem ersten Schiff des Frühlings gekommen und jenen furchtbaren Sommer lang durch die Stadt gezogen war.
    Nicht daran denken…
Niemand war da!
    Wütend zog sie eine Schnute und starrte im Zimmer umher, als seien die Möbel selbst daran schuld. Die Vorhänge des Himmelbettes waren zurückgezogen, also war ihr Vater nicht im Bett, und sie konnte sich ohnehin nicht vorstellen, daß er mitten am Tag zu Bett ging. Sie warf einen Blick zum Schrank, aber die Wahrscheinlichkeit, daß König Holindarn von Krasnegar sich in einem Schrank verbarg, war nicht so groß, daß sie deswegen das Zimmer durchqueren mußte. Die Fenster lagen in tiefen Nischen, doch auch dort waren die Vorhänge zurückgezogen. Es gab keinen Ort…
    Unbehaglich drehte sich Inos um und zögerte dann. Sie spürte etwas hinter ihrem Rücken. Sie blickte sich noch einmal schnell um, zuckte die Achseln und ging dann zurück zur Treppe…
    Und blieb wieder stehen. Ihr Kopf kribbelte. Da stimmte etwas nicht, und sie konnte es nicht einordnen.
Jetzt aber! Sie biß ihre Zähne zusammen und drehte sich wieder um. Sie zwang ihre Füße, die sich regelrecht weigerten, langsam durch das Zimmer zu gehen, und betrachtete alles und jedes argwöhnisch. Dies hier war das Schlafzimmer ihres Vaters, und sie war eine Prinzessin, und es konnte nichts Gefährliches geben, was diese eigenartige Wahrnehmung erklärte, die sie –
    Die hohe Anrichte auf der gegenüberliegenden Seite war vorgezogen, weg von der Wand.
    Nein, das wäre sicher nicht wichtig…
WARUM?
    Warum war die Anrichte vorgezogen? Und warum hatte sie es nicht sofort bemerkt? Mit Gänsehaut auf ihren Armen zwang sie sich, hinter diese auf Abwege geratene Anrichte zu sehen. Dort stand eine Tür angelehnt. Das Schaudern ließ nach und hinterließ ein Gefühl der Mißbilligung. Warum hatte Inos nicht gewußt, daß es dort eine Tür gab? Sie schaute die horizontalen Balken hinauf an die getäfelte Decke. In allen anderen Türmen lief das Dach spitz zu, wie auch in ihrem eigenen Gemach. Also gab es hier noch ein Zimmer über diesem! Das hatte sie nie bemerkt.
    Wie eigenartig!
    Zaudern gehörte nicht zu ihren Schwächen. Inos hielt ihre
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher