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Das zerbrochene Siegel - Roman

Das zerbrochene Siegel - Roman

Titel: Das zerbrochene Siegel - Roman
Autoren: Susanne Eder
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verzichten. Nachdenklich strich er über seinen Bart.
    »Müsste es nicht eine außergewöhnlich schmale Dolchklinge gewesen sein, die eine so kleine Wunde verursacht?«, überlegte er laut. »Solche schmalen Klingen brechen leicht.«
    Unerwartet widersprach die Heilerin. »Nicht, wenn sie
sorgsam geschmiedet sind. Ich besitze selbst ein Werkzeug mit einer so schmalen Klinge.«
    Bandolf warf ihr einen scharfen Blick zu. »Wozu braucht eine Heilerin eine solche Waffe? Woher hast du sie?«
    »Es ist keine Waffe, Burggraf«, erklärte sie ärgerlich, während sie die Fibel des Toten wieder an seinem Umhang feststeckte. »Es ist ein Werkzeug und gehörte einst meiner Großmutter. Ich brauche es, um Eiterbeulen, Furunkel und dergleichen aufzustechen.«
    »Aber du könntest damit jemanden töten, und die Klinge würde nicht brechen«, beharrte er.
    Garsende erhob sich. »Und wenn ich Euch diese morsche Bohle dort drüben über Euren Dickschädel ziehe, und Ihr sterbt an dem Schlag, dann ist diese unschuldige Bohle ebenfalls eine Waffe«, stieß sie hervor.
    »Kein Grund, gleich das Gefieder zu sträuben.« Bandolf lächelte, wurde aber gleich wieder ernst.
    »Du bist dir also sicher, dass der Mann an diesem Stich gestorben ist?«
    »Ja doch. Soweit man in derlei Dingen überhaupt sicher sein kann.«
    »Verdammnis!«, knurrte Bandolf. In Gedanken sah er bereits das feiste Gesicht Bischof Adalberos vor sich, der scheinheilig vor König Heinrich fragte, ob man denn einen Burggrafen im Amt belassen dürfe, in dessen Haus ein Mord geschehen war. Denn womöglich - nun, es sei ja nicht auszuschließen - habe der Burggraf, aus welchen Gründen auch immer, mit Hand angelegt, einen jungen Edelmann zu töten. Bandolfs Gesicht verdüsterte sich.
    »Verdammnis!« wiederholte er. »Das bedeutet, dass der Fremde in meinem Haus ermordet wurde.«
    »Ich wurde einmal zu einem jungen Fischer gerufen, der bei einem Streit in den Leib gestochen wurde«, sagte Garsende. Ihre Stimme klang nachdenklich. »Die Wunde war
größer als die Eures Fremden, aber die Stelle, wo er getroffen wurde, war ähnlich. Sein Weib erzählte mir, der Streit sei zur Mittagsstunde, kurz vor der Sext, gewesen, und ihr Gatte wäre noch den ganzen Weg von St. Martin bis zu seinem Haus in der Cappelgasse gegangen. Er konnte sogar noch stehen, als ich eintraf, und die Glocke von St. Martin läutete zur Non’, als er starb. Und meine Mutter erzählte mir einst von einem Bauern, der in seine Heugabel gefallen war und sich den Wanst dabei aufgerissen hatte. Er schaffte es, von seinem Feld bis zu seinem Haus zu wanken, und starb erst, nachdem er sich niedergelegt und ein Priester ihm die Absolution erteilt hatte.« Ein Lächeln zuckte in ihren Mundwinkeln. »Demzufolge ist es sehr wohl möglich, dass der Fremde auf dem Weg zu Euch erstochen wurde.«
    Bandolf verzog das Gesicht, als hätte er Schmerzen in einem fauligen Zahn, doch schließlich nickte er. »Ich hoffe, du hast recht.«
    Er zog das Sackleinen wieder über das verzerrte junge Gesicht des Toten. Garsende bekreuzigte sich und stieß einen erleichterten Seufzer aus, als sie die Scheune verließen.

KAPITEL 2
    U nd was gedenkt Euer Gatte nun wegen dieses unse ligen Toten zu unternehmen?«, fragte Eltrudis spitz. Sie nahm das feuchte Tuch von ihrer Stirn und reichte es Matthäa, die neben der Bettstatt kniete. »Wenn ich gewusst hätte, welche Aufregungen mich hier erwarten, wäre ich trotz Eurer Bitten nicht gekommen, dessen könnt Ihr gewiss sein.«
    Wer hat dich denn gebeten?, dachte Matthäa mit einem Anflug unchristlichen Zorns.
    Eltrudis war die Schwester ihrer verstorbenen Mutter. Im Gegensatz zu Katharina von Eich, die mit einem Scholasticus des Erzbischofs von Köln vermählt worden war, hatte Eltrudis in die Sippschaft derer von Löfenau eingeheiratet, die reiche Ländereien am oberen Rhein besaßen. Vor kurzem war ihr wohlhabender Gatte gestorben, und Eltrudis, die kinderlos geblieben war, hatte beschlossen, ihr beträchtliches Wittum einem Kloster zu übereignen, in dem sie ihren Lebensabend verbringen konnte. Um ein geeignetes Ordenshaus zu finden, in dem man es ihr auch an nichts fehlen lassen würde, beehrte sie nun reihum ihre Verwandten mit ihrem Besuch, in deren Nähe sich ein Nonnenkloster befand. Bisher hatte noch keines Gnade vor ihren Augen gefunden, und Matthäa schloss in ihre täglichen Gebete die innige Bitte mit ein, die Wahl ihrer Tante möge nicht auf das bei Worms gelegene Mariamünster
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