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Das zerbrochene Siegel - Roman

Das zerbrochene Siegel - Roman

Titel: Das zerbrochene Siegel - Roman
Autoren: Susanne Eder
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sorgst dafür, dass niemand sich dort herumtreibt und Maulaffen feilhält.«
    Der Hausmeier machte ein langes Gesicht. »Wäre es nicht besser, man würde ihn lassen, wo er ist?«, wandte er hastig ein. »Der Fremde könnte ansteckend sein und uns allen den Tod bringen. Und selbst, wenn nicht, dann ist seine Seele gewiss in wildem Aufruhr, wo er doch ohne den Beistand eines Priesters gestorben ist. Dann ruft sie womöglich noch andere Geister herbei.«
    »Oder finstere Dämonen«, unkte die junge Hildrun mit weit aufgerissenen Augen.
    »Und wenn sich Geister und Dämonen vereinen, besudeln sie im Handumdrehen das ganze Haus«, bekräftigte Werno. Er schauderte und schlug ein Kreuz über seiner wohlgenährten Brust. »Als der alte Hufschmied Enolf gestorben ist, folgte ihm eine Heerschar von üblen Dämonen durch seine Schmiede. Sein Weib musste den Priester dreimal um den Segen bitten und hat einen ganzen Herbst lang
in St. Rupert um Vergebung seiner Sünden gebetet, bis sie die Heerschar los war. Und hernach war das Haar der Witwe schlohweiß.«
    »Wen wundert’s«, mischte sich Filiberta ein. Die stämmige Magd kniete vor dem Herdfeuer, legte Holzscheite nach und schürte behutsam die kleine Flamme. »Enolf war ein bösartiger Mensch, und ein alter Geizhals obendrein. Das wusste doch jeder.«
    Werno nickte eifrig. »Wer weiß, ob der Fremde da drau ßen nicht noch schlimmere Sünden begangen hat, und was dann passieren mag.«
    »Um so mehr Grund, den Toten mit Respekt zu behandeln«, erklärte Matthäa. »Und wenn bei dem Fremden keine der bösen Anzeichen zu sehen waren …?« Sie warf ihrem Gatten einen fragenden Blick zu, und Bandolf schüttelte den Kopf.
    »… dann tu, was der Herr dir aufträgt«, beendete die Burggräfin ihren Satz. Doch ganz wohl schien ihr auch nicht bei dem Gedanken zu sein, der Fremde könne den Tod in ihr Heim bringen, oder seine Seele würde verärgert im Haus umhergeistern. Ihre sonst so rosigen Wangen waren blass, und sie hatte dunkle Ringe unter ihren Augen. Im Stillen hoffte Bandolf, Pater Egidius möge sich beeilen.
    Kaum hatte der Hausmeier mit saurer Miene die Halle verlassen, kam Eltrudis die Treppe heruntergerauscht und verlangte gebieterisch zu wissen, was es mit dem ungebührlichen Lärm auf sich habe, der zu so früher Stunde im Haus herrschte.
    Die Ankunft der Heilerin enthob Bandolf einer Erklärung, und mit einem deutlichen Gefühl der Erleichterung verließ er seine Halle.
     
    Die Glocken von Worms läuteten zur Laudes, und das graue Licht der Dämmerung war noch nicht gänzlich verschwunden,
als der Burggraf Garsende über den Hof zur Scheune führte. In knappen Worten erklärte er ihr, was vorgefallen war. »Sieh dir den Mann an und sag mir, woran er gestorben ist.«
    Schweigend hatte die Heilerin ihm zugehört, doch jetzt schaute sie ihn ungehalten an. »Und deswegen habt Ihr mich gerufen? Herrje, Burggraf, ich kümmere mich um die Lebenden. Nicht um die Toten. Ich weiß wirklich nicht, wie ich Euch behilflich sein kann.«
    Ein wenig irritiert musterte Bandolf sein Gegenüber. Es war sonst nicht Garsendes Art, ihm so unwirsch zu begegnen.
    Wie stets erstaunte ihn die hochgewachsene Erscheinung der Heilerin. Er war selbst ein großer Mann, dennoch musste sie nicht zu ihm aufschauen. Im Gegensatz zu Matthäa, die ihm gerade zur Brust reichte und ihn mit ihren liebreizenden Rundungen noch immer bestrickte, waren Garsendes Züge schmal und streng. Nur wenn sie lächelte, gewann ihr herbes Gesicht eine gewisse Anmut.
    Im Moment jedoch lächelte sie nicht. Ihre Stirn war gerunzelt, und sie hatte wie sein Weib Ringe unter ihren gro ßen, dunklen Augen.
    Der Leichnam lag auf ein paar Ballen Stroh gebettet, so weit abseits der Vorratssäcke wie nur möglich. Werno, der sich auf einen Wink des Burggrafen erleichtert davonmachte, hatte ihn mit einem groben Leinentuch zugedeckt.
    »Ich weiß wirklich nicht, wie ich Euch hierbei helfen soll«, wiederholte Garsende.
    »Tu, was du kannst.«
    Seufzend ließ sich die Heilerin neben den Strohballen nieder. »Es gibt viele Krankheiten, die sich in ihren Auswirkungen ähneln«, erklärte sie, schlug ein Kreuz und lüpfte dann das Sackleinen. »Da er tot ist, kann er mir ja nicht sagen, woran er leidet, und … Allmächtiger!«

    Bestürzt schlug sie sich die Hand vor den Mund und starrte den Toten an.
    »Was hast du denn?«, fragte Bandolf erstaunt. Das Angesicht des Todes und die Spuren, die der Sensenmann zeichnete, konnten der
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