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Das zerbrochene Siegel - Roman

Das zerbrochene Siegel - Roman

Titel: Das zerbrochene Siegel - Roman
Autoren: Susanne Eder
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Schwert noch ein kurzer Dolch in einer Lederscheide und ein Beutel, ebenfalls aus Leder, der einen zerdrückten Kranz aus Pflanzenstängeln, ein paar Hohlpfennige, ein kleines Säckchen Salz und einen
in ein Stückchen Leinen gewickelten Zahn enthielt - offenbar eine Reliquie, die der Tote zu seinem Schutz bei sich getragen hatte. Sorgfältig steckte Bandolf die Dinge zurück an ihren Platz und griff dann in die Innentasche des Umhangs, wo er einen Hornlöffel, einen Zinnbecher und einen Münzbeutel zutage förderte. Das Behältnis war schäbig und abgegriffen und besaß eine lange Schnur, sodass man es auch um den Hals tragen konnte. Überrascht pfiff Bandolf durch die Zähne, als er den Inhalt des Beutels auf seine Hand schüttelte. Fünf Silbermünzen blinkten im Schein seiner Lampe auf. Sie waren beidseitig geprägt und schienen schwerer zu sein als die Münzen, die hierzulande in Umlauf waren. Nachdenklich wog Bandolf die Münzen in seiner Hand und fragte sich, ob sie ihm womöglich helfen konnten, die Identität des Toten festzustellen. Schließlich verwahrte er Beutel und Münzen in seiner Tasche.
    Noch einmal betrachtete er die verzerrten Züge des Leichnams und seufzte.
    »Woran seid Ihr gestorben? Und wieso ausgerechnet unter meinem Dach?«
    Es gab unzählige Krankheiten, die, heimlich wie ein Dieb, den Jungen wie den Alten das Leben stehlen konnten. Vielleicht hatte der Fremde auf seinem Weg - wusste Gott wohin - ein Unwohlsein verspürt und nur im nächstgelegenen Haus, welches zufällig das seine war, nach Hilfe gesucht? Doch Bandolf musste es genau wissen. Ein Mann von Stand, der tot im Hause des Burggrafen gefunden wurde, konnte dem Bischof von Worms jenen Vorwand liefern, den er seit langem suchte, um Bandolf aus seinem Amt zu verdrängen. Und wenn der junge Mann gar durch fremde Hand gestorben war …
    Bandolf seufzte noch einmal. Ja, er brauchte Gewissheit.
    »Garsende«, murmelte er. Die Heilerin war ihm in einer ähnlichen Angelegenheit schon einmal von Nutzen
gewesen. Für ein Weib war Garsende wohl klug und verständig, und zweifellos beherrschte sie ihr Handwerk, doch zeigte sie auch die missliche Neigung, sich in seine Belange einzumischen. Der Burggraf zog eine Grimasse. Wie auch immer - er musste wissen, wer dieser Mann war, was er in seinem Haus gewollt hatte und woran er gestorben war. Letzteres konnte ihm die Heilerin womöglich sagen.
    Bandolf erhob sich und warf einen letzten Blick auf den Leichnam.
    » Frostiger Schauder schüttelt die Glieder mir, eisig stockt mir das Blut vor Entsetzen. Wieder geh ich daran, eines anderen biegsame Gerte auszureißen und so das Geheimnis genau zu erforschen« , zitierte er leise seinen Lieblingsdichter Vergil.
     
    Die Nachricht, dass ein Fremder tot im Hof lag, sorgte für Aufregung im Haus des Burggrafen.
    Herwald machte ein grimmiges Gesicht und erklärte knapp, er würde sich selbst davon überzeugen, dass keine weiteren Eindringlinge auf dem Anwesen wären. Dann stürzte der Marschalk hinaus, noch bevor Bandolf Einwände machen konnte. Kurze Zeit später sah ihn der Burggraf mit einem Knüppel bewaffnet und mit ein paar Hörigen im Schlepptau im Stall verschwinden. Werno hingegen machte ein düsteres Gesicht und raunte Filiberta zu, man müsse wohl auf einen neuerlichen Ausbruch der Cholera in der Stadt gefasst sein. Seinem Herrn empfahl er, umgehend alle Türen und Verschläge zu verschließen, damit die schlechten Düfte draußen blieben. Ein Priester müsse her, damit er das Haus mit geweihtem Rauch reinige und die Binsen mit Weihwasser besprenge.
    Matthäa hatte sich in aller Eile ihr Gewand übergestreift und das dichte, rotblonde Haar zu einem lockeren Zopf geflochten, als Bandolf sie geweckt hatte. Ein paar widerspenstige
Strähnchen lösten sich bereits wieder aus dem Gebilde und ringelten sich an ihrem Hals. Ihre großen, rehbraunen Augen verrieten Besorgnis, als sie Bandolf einen raschen Blick zuwarf.
    »Werno hat recht«, sagte sie. »Das Haus muss gereinigt werden.«
    »Ich habe Prosperius zur Kirche St. Magnus geschickt. Pater Egidius wird bald hier sein und sich des Toten annehmen«, versicherte ihr Gatte. »Und Jacob ist auf dem Weg zur Heilerin.«
    »Was will sie noch ausrichten, wenn der Mann doch tot ist?«, wunderte sich Werno und kratzte sich den kahlen Schädel.
    »Das braucht dich nicht zu kümmern«, brummte Bandolf. »Geh du derweil nach draußen und lass den Leichnam in die Scheune schaffen. Du hältst Wache bei ihm und
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