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Das zerbrochene Siegel - Roman

Das zerbrochene Siegel - Roman

Titel: Das zerbrochene Siegel - Roman
Autoren: Susanne Eder
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wiederholte sie leise und biss sich auf die vollen Lippen. »Pater Egidius sagte mir schon, dass Ihr mich aufsuchen würdet. Ich hatte Euch nur nicht so bald erwartet.« Hastig nahm sie eines der Laken von der Bettstatt und warf es über den Stapel neben der Truhe.
    »Wollt Ihr Worms verlassen?«, erkundigte sich der Burggraf.
    »Nein … ich … nein, warum fragt Ihr?«
    Wortlos deutete Bandolf auf die Unordnung im Raum. Annalinde klappte rasch den Deckel der Truhe zu. Einen
Moment blieb sie stehen und runzelte die Stirn, als wäre sie unschlüssig, was sie mit dem Burggrafen anfangen sollte. Dann straffte sie sich. »Was führt Euch zu mir?«
    »Nun, zunächst möchte ich Euch meines Beileids versichern.«
    »Ich danke Euch, Burggraf. Ich weiß Eure Anteilnahme wohl zu schätzen.«
    Einen Augenblick zögerte der Burggraf, während die junge Witwe ihn zurückhaltend musterte.
    »Hat Pater Egidius Euch auch berichtet, wie Euer Gatte ums Leben kam?«, erkundigte er sich schließlich.
    Annalinde schüttelte den Kopf, sagte jedoch nichts.
    »Ulbert von Flonheim wurde niedergestochen«, fiel Bandolf mit der Tür ins Haus und schalt sich gleich darauf einen Tölpel. Annalindes Wangen verloren schlagartig an Farbe. Mit abwehrend vorgestreckten Händen wich sie vor Bandolf zurück und ließ sich matt auf die Bank sinken, die in die Mauer der Zelle eingelassen war.
    »Ulbert wurde ermordet?«, hauchte sie.
    »Es muss nach der Matutin passiert sein. Euer Gatte konnte sich noch bis vor die Türschwelle meines Hauses schleppen. Dann brach er zusammen und starb.« Er räusperte sich. »Nun stellt sich die Frage: War Euer Gemahl auf dem Weg zu meinem Haus, als man ihn niederstach? Und wenn ja, was wollte er mitten in der Nacht von mir?«
    Annalinde, noch immer sehr blass, presste die Lippen aufeinander und sah an ihm vorbei. Ihre Augen bewegten sich unstet, bis ihr Blick irgendwo hinter Bandolf haften blieb. Mit wachsendem Unbehagen folgte er ihrem Mienenspiel.
    »Davon weiß ich nichts«, sagte sie endlich.
    »Ihr könnt Euch keinen Grund denken, warum Euer Gemahl mich aufsuchen wollte?«, vergewisserte er sich.
    Sie schüttelte den Kopf.

    »Nun gut. Aber vielleicht könnt Ihr mir sagen, wie Euer Gatte den gestrigen Tag verbracht hat?«
    »Warum wollt Ihr das wissen?«
    »Es könnte von Belang sein.«
    Für einen Augenblick glaubte er, Verärgerung in Annalindes hellen kleinen Augen aufblitzen zu sehen, doch der Eindruck verschwand so schnell, dass er sich auch getäuscht haben konnte.
    »Wie Ihr wünscht.« Sie seufzte und schien einen Moment nachzudenken. »Nach der Frühmesse nahmen wir unser Morgenmahl im Refektorium ein. Am Tisch von Propst Crispin«, fügte sie mit Genugtuung hinzu. »Anschließend hatte mein Gatte eine Unterredung mit den Brüdern wegen eines Weinbergs, den das Stift von meinem Gatten zu erwerben wünscht. Wegen dieser Angelegenheit ist mein Gatte nach Worms gekommen.«
    »Wurde der Handel gestern abgeschlossen?«, erkundigte sich Bandolf, eingedenk des Münzbeutels in seiner Tasche.
    Annalinde schüttelte den Kopf. »Soweit ich weiß, ist noch nichts entschieden.«
    »Hat Ulbert kürzlich noch anderweitig Land verkauft?«
    »Nein. Warum fragt Ihr?«
    Einen Augenblick zögerte Bandolf, dann antwortete er leichthin: »Euer Gatte trug einen neuen Mantel und ein Schwert, das auf mich ebenfalls den Eindruck machte, als wäre es noch ganz neu.«
    Ursprünglich hatte er beabsichtigt, die Münzen Ulberts Witwe auszuhändigen. Falls das Silber Ulberts rechtmä ßiger Besitz gewesen war, gehörte es jetzt zum Erbe seines Sohnes. Bandolf hatte im Grunde kein Recht, es der Witwe vorzuenthalten. Und doch widerstrebte es ihm, die Münzen aus der Hand zu geben, solange er nicht mehr über ihre Herkunft wusste.
    »Oh.« Annalinde errötete. »Das Schwert war gewisserma
ßen ein Geschenk meines Vaters. Er ermöglichte meinem Gatten den Erwerb.« Mit einem Anflug von Trotz schob sie ihr Kinn vor und fügte hinzu: »Mein Vater ist Kaufmann.«
    Ulbert hatte also unter seinem Stand geheiratet, vermerkte Bandolf. Und Annalindes Mitgift war offenbar groß genug gewesen, um den Mangel wettzumachen.
    Laut fragte er: »Was tat Euer Gatte, nachdem das Gespräch mit den Stiftsherren beendet war?«
    »Er holte seinen Mantel aus unserem Quartier und verließ das Stift.«
    »Sagte er Euch, wohin er wollte?«
    »Mein Gatte pflegte mir keine Rechenschaft über sein Tun abzulegen«, erklärte Annalinde unwirsch.
    Der Burggraf dachte an
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